Tote Stimmen
ein massiver Knall, und als Nächstes war er über der Schwelle, die Pistole vor sich haltend, mit der anderen Hand drückte er die offene Tür gegen die Küchenanrichte.
Ein Knall, sofort alles wieder unter Kontrolle, dann Stille.
Er starrte wütend zurück zu mir,
worauf wartest du, verdammt noch mal?
Ich folgte ihm nach drinnen, und er machte mit seiner freien Hand die Tür hinter uns zu. Ein Holzstreifen an der Seite, wo das Schloss saß, hing herunter, aber die Tür passte noch in den Rahmen. Wenn irgendjemand draußen das Geräusch gehört hatte, würde er in ein paar Sekunden aus dem Fenster schauen und keine Ahnung haben, woher es gekommen war.
Choc durchquerte die Küche und hielt die Waffe jetzt mit beiden Händen. Er sah so professionell wie ein Polizist aus, und ich war unglaublich froh, dass er hier war. Als er auf den Flur zuging, blieb ich etwas zurück und horchte. In Sarahs Haus herrschte absolute Stille. Entweder war niemand hier, oder sie verhielten sich sehr still.
Die Erinnerung daran, wie ich Emmas Leiche gefunden hatte, zuckte mir durch den Kopf.
Bitte, nein.
»Dave?«, sagte Choc. »Hier.«
Er war an der Tür stehen geblieben. Ich ging hinüber.
Dann sah ich, was dort los war …
»Oh mein Gott. Rob.«
… drückte mich, ohne nachzudenken, an Choc vorbei und kniete neben meinen Freund hin. Er saß an die Wand gelehnt, die Beine in den Flur hinein ausgestreckt, der Kopf war von mir weg zur Seite geneigt und lag auf seiner Schulter. Bewegungslos. Überall an ihm war Blut.
Wir sind seit zehn Jahren beste Freunde.
»Rob?«
Wir haben immer füreinander gesorgt.
»Rob …« Sein Kopf bewegte sich leicht. Mein Herz überschlug sich.
»Kannst du mich hören?«
Er wandte mir das Gesicht zu, sehr langsam, aber das war egal, denn wenigstens war er
nicht tot
. Doch er war blass, und seine Augen waren geschlossen. Ich sah auf seine Brust hinunter. Er atmete, jedoch nur flatternd und unregelmäßig.
»Was machst du hier?«, sagte ich.
»Er hat sie mitgenommen. Tut mir leid.«
Mein Gott
. Er hatte mich ihren Namen auf St. John’s Field sagen hören und war hierhergekommen, um nachzusehen, ob sie in Sicherheit war.
»Sind sie weg?«
Rob versuchte etwas zu sagen, schaffte es aber nicht. Er nickte leicht.
»Okay. Sag nichts. Ich ruf einen Krankenwagen.«
Ich stand auf und sah mich im Flur um – dort. Ich stieg über Rob weg und rannte zu dem Tisch bei der Hintertür. Ein altes Telefon stand auf mehreren staubigen gebrauchten Telefonbüchern. Ich nahm den Hörer, hörte das Freizeichen und wählte »999«.
Choc stand an der Tür zur Küche.
»Mann, wir müssen gehen.«
»Wir gehen im Moment nirgends hin.« Ich starrte ihn zornig an. »Ich wäre rechtzeitig hier gewesen, wenn du mich nicht abgefangen hättest. Kannst du Erste Hilfe leisten?«
Er starrte zurück, schüttelte aber den Kopf.
Ich blickte hinunter und sah, dass Rob versuchte, etwas zu greifen. Er fuhr mit der Hand unbeholfen in seine Jacke.
»Hilf ihm doch.« Ich deutete in seine Richtung, wandte mich dann ab, als sich jemand meldete, und unterbrach ihn: »Ich brauche hier sofort einen Krankenwagen. Ein Mann mit einer Stichwunde. In der Brust, glaube ich. Er lebt noch, aber Sie müssen so schnell wie möglich kommen.«
Ich gab die Adresse durch, hängte auf und fuhr mir mit den Händen durchs Haar. Ich hätte mich am liebsten gegen die Tür fallen lassen, um dann auf den Krankenwagen und die Polizei zu warten. Rob war schwer verletzt, vielleicht war er dabei zu sterben. Sarah und Tori waren beide weg. Und ich hatte jegliche Chance verpasst, dem Mann entgegenzutreten, der das getan hatte.
»Dave.«
Meine Beine waren kurz davor nachzugeben. Und das Kläglichste daran war, dass ich es mir geradezu wünschte. Denn dann würde jemand anders sich mit dieser Situation befassen müssen.
»Dave.«
»Was?«
Ich drehte mich um und sah, dass Choc ein Blatt Papier in der Hand hatte, auf dem blutige Streifen und Flecken waren. Robs Hand lag jetzt in seinem Schoß, der Kopf hing nach vorn herunter. Seine Brust hob und senkte sich sanft, fast unmerklich.
»Halt durch, Rob«, sagte ich. »Sie kommen gleich.«
»Er wollte das aus seiner Tasche holen.«
»Was ist es?«
Choc faltete es auseinander und betrachtete stirnrunzelnd, was da geschrieben stand. Er neigte den Kopf verwundert zur Seite.
»›Kontakt Thom Stanley‹«, sagte er. »Und eine Adresse.«
33
Samstag, 3. September
C urrie kehrte mit einem Mausklick an
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