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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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war. Nicht einmal mehr ein Mensch. Nur ein Ding, das jemand auf dem Bett hatte liegen lassen.
    »Warum?«, sagte ich leise.
    »Du hast gedacht, du wärst ein besserer Mensch.« Und so schroff er auch weiterhin klang, konnte ich erraten, dass ihm dies hier irgendwie Vergnügen bereitete. »Aber du siehst jetzt, dass du nicht besser bist als alle anderen. Dass du dich überhaupt nicht um Menschen kümmerst, wenn es schwierig für dich wird.«
    »Warum tun Sie das?«
    »Das hättest du dich selbst fragen sollen. In jeder Sekunde, in der du nichts getan hast.«
    Ich schloss die Augen.
    Obwohl ich Emma jetzt nicht sehen konnte, roch ich doch die Verwesung. Und ich fühlte etwas Bedeutsameres, das in der Luft hing. Ich fühlte mich wie ein Sünder, der allein in der würdevollen, widerhallenden Stille einer Kathedrale stand.
    »Was wollen Sie von mir?«, sagte ich.
    »Nichts.«
    »Was?«
    »Nichts. Du hast sie schon einmal verlassen. Jetzt musst du es nur wieder tun. Geh hinaus, setz dich in dein Auto und fahr weg.«
    »Was? Ich soll sie einfach hier liegen lassen?«
    »Genau wie du es vorher gemacht hast.«
    Ich öffnete die Augen, zwang mich, sie anzusehen, und versuchte, das Mädchen, das ich gekannt hatte, ganz bewusst aus meinem Kopf zu verbannen. Dies war nicht Emma. Ich konnte jetzt nichts für sie tun. Alles, was ich hätte tun können, wäre in der Vergangenheit gewesen.
    »Oder kannst du dich nicht aufraffen, dich um Tori zu kümmern?«
    Es tut mir leid, Emma.
    »Gut.«
    Ich drehte mich um und verließ das Schlafzimmer. Ging die Treppe hinunter. Die Haustür war noch zu.
    »Ich komme jetzt raus, ja?«, sagte ich. »Und dann?«
    Ein paar Sekunden antwortete der Mann nicht.
    »Wir sind fertig für heute Abend«, sagte er. »Wir werden morgen wieder Spaß haben. Es ist mir egal, wo du inzwischen hingehst. Aber die Polizei wird nach dir suchen. Wenn du mit ihnen Kontakt aufnimmst, wirst du nie wieder von mir hören. Ich werde dich beobachten.«
    »In Ordnung.«
    »Denk dran, Dave«, sagte er schnell. »Streng dich wirklich an. Du meinst vielleicht, du bist so
verdammt schlau
, aber das bist du nicht. Du hast keine Ahnung, was ich alles kann.«
    Ich machte die Haustür auf und trat hinaus. Lohnte es sich, meine Fingerabdrücke wegzuwischen? Ich wusste nicht, ob mich das eher weniger oder mehr belasten würde. Es war wohl besser, nichts zu tun.
    »Ich verstehe«, sagte ich.
    Er lachte mich aus, machte sich lustig über diesen Gedanken.
    Und dann brach die Verbindung ab.
    Ich trat wieder in die Nacht hinaus. Das leise Trommeln des Regens, das sofort wieder da war, erschreckte mich, und ich zitterte. Ein letzter Blick auf das in tiefem Schweigen dastehende Haus –
es tut mir so leid
 –, und dann ging ich zu meinem Wagen zurück, die ganze Zeit der Überwachungskamera zugewandt.
    Weiter vorn war die Straße schon leer, der Mann war weggefahren.
    Und doch spürte ich bei jedem Schritt seinen Blick auf mir.

24
    Samstag, 3. September
    A ls ich wieder am Wagen war, wusste ich nicht, was ich als Nächstes tun sollte. Wohin konnte ich gehen? Alle Räume, zu denen ich Schlüssel hatte, waren nicht sicher. Auch den Tank füllen und weiterfahren konnte ich nicht, denn die Polizei würde nach dem Auto Ausschau halten und vielleicht sogar mein Konto überwachen. Der Tank war noch viertel voll, ich hatte etwa zehn Pfund im Geldbeutel, und es gab auch keine einfache Möglichkeit, ihn aufzufüllen. Aber ich fuhr, ohne weiter nachzudenken, trotzdem los, denn hier sollte ich jedenfalls nicht bleiben.
    In chaotischer Verfassung fuhr ich zunächst ziemlich ziellos umher, bis mir etwas einfiel. Ich packte das Lenkrad fester.
    Du hast keine Ahnung, was ich alles kann.
    Ich wusste nicht, wie oder warum, aber der Killer hatte mich aus irgendeinem Grund bewusst gewählt. Und wenn er über Julie und Emma Bescheid wusste, wusste er vielleicht auch von Sarah.
    Sofort setzte ich den Blinker und bog an der nächsten Kreuzung ab. Aber dann, als ich fast dort war, kamen mir Zweifel an dem, was ich im Begriff war zu tun. Was war, wenn er gar nichts von ihr wusste? Wenn ich bei ihr vorbeiging, selbst wenn ich sie nur anrief, brachte ich sie vielleicht damit in Gefahr.
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
    Eigentlich wollte ich nur anhalten und mich fallen lassen. Jemand anderen sich mit all diesen Dingen befassen lassen.
    Letztendlich fuhr ich ihre Straße hinunter und behielt das Haus im Auge, mit der Absicht, schnell daran vorbeizufahren und

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