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Tote Wasser (German Edition)

Tote Wasser (German Edition)

Titel: Tote Wasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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aussahen. «Sie müssen Inspector Reeves sein. Soweit ich weiß, sollen Sie hier die Ermittlungen leiten.» Sie ließ gerade so viel Erstaunen durchklingen, dass es Willow auf die Nerven ging. Die Leute fanden immer, dass sie nicht so aussah, als könne sie die Verantwortung tragen. Es war doch nicht ihr Problem, wenn sie deren Erwartungen nicht entsprach. «Solange Sie hier sind, erstatten Sie mir Bericht.»
    «Natürlich.» Willow schüttelte ihr die Hand und fragte sich, warum Frauen in Machtpositionen immer das Bedürfnis verspürten, Spielchen zu spielen. «Meines Wissens haben Sie die Leiche in der Jolle gefunden?»
    «Wie ich es Sergeant Wilson schon erzählt habe.» Die Staatsanwältin nickte. Vom Meer kam eine leichte Brise, doch kein Härchen auf ihrem Kopf bewegte sich. Entweder hatte sie einen großartigen Haarschnitt, oder sie verbrauchte Unmengen Haarspray.
    «Und Sie wohnen hier?»
    «Im Alten Schulhaus.» Rhona Laing deutete mit dem Kinn zu einem solide gebauten Haus auf dem Hang hinter ihnen. «Ich dachte, ein paar Kinder hätten die Jolle aus purem Übermut ins Wasser geschoben, und bin rausgegangen, um sie zu bergen.» Sie lächelte dünn, doch ihre Augen blieben wachsam.
    «Vielen Dank, dass Sie extra hergekommen sind.» Willow verlieh ihrer Stimme einen herzlichen Klang. An der Universität hatte sie eine Zeitlang bei der Theatergruppe mitgemacht. «Vielleicht dürfen wir Ihre Zeit ja noch ein wenig mehr in Anspruch nehmen, sobald wir hier fertig sind. Wenn Sie zu Hause sind, natürlich nur. Ich möchte Ihnen ja nicht das Wochenende zerschlagen, und ich weiß nicht, wie lange wir hier brauchen werden.» Sie warf einen Blick auf das weiße Zelt, um deutlich zu machen, dass sie sich jetzt dringend an die Arbeit machen wollte.
    Ein kurzes Schweigen entstand.
    «Selbstverständlich», sagte Rhona Laing. «Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung.»
    Erst als sie in die Spurenschutzanzüge geschlüpft waren und die Überschuhe angezogen hatten, begriff Willow, dass die Staatsanwältin gedacht hatte, sie würden sie bitten mitzukommen. Der Älteren war nicht klar, dass sie dadurch, dass sie die Leiche gefunden hatte, in eine zwiespältige Lage geraten war. Rein rechtlich hatte sie die Aufsicht über die Mordermittlung, doch gleichzeitig war sie Zeugin und konnte sogar zu einer Verdächtigen werden.
    James Grieve, der Gerichtsmediziner, entfernte sich gerade von der Leiche. In einigem Abstand von der Absperrung schälte er sich aus dem Schutzanzug. Er war klein und elegant gekleidet, mit glänzenden schwarzen Schuhen. Vicki begrüßte er mit einem Lächeln und einem Küsschen auf die Wange. «Miss Hewitt, wir sollten uns nicht mehr nur bei solchen Anlässen sehen.»
    Willow stellte sich ihm vor. Ihr war etwas merkwürdig zumute, weil sie größer war als er. Und deutlich jünger. Inzwischen sollte sie sich an diese Dinge gewöhnt haben.
    «Inspector.» Er deutete eine galante Verbeugung an. «Ich bin schon wieder auf dem Weg zurück in die Zivilisation. Oder wenigstens zurück nach Aberdeen. Das ist wohl alles relativ. Ich nehme an, Sie werden hier zu viel zu tun haben, um bei der Obduktion dabei zu sein. Sie können mich morgen anrufen. Am frühen Nachmittag. Ich habe dafür gesorgt, dass die Leiche mit der heutigen Abendfähre aufs Festland gebracht wird, und sollte Ihnen morgen Nachmittag schon etwas sagen können.»
    «Todesursache?», fragte sie.
    Er hob die Augenbrauen, als wäre sie eine aufsässige Schülerin, die es im Unterricht zu bunt trieb. Dann lächelte er. «Sieht aus, als hätte man ihm mit dem berühmten stumpfen Gegenstand kräftig eins übergezogen. Aber wenn Sie einen Blick auf die Leiche werfen, werden Sie da auch selbst draufkommen.» Wieder verbeugte er sich und verschwand.
    Vicki Hewitt war schon in dem weißen Zelt und machte Fotos. Die Jolle war größer, als Willow erwartet hatte, etwa zwanzig Fuß lang, groß genug, dass sechs Ruderer paarweise darin Platz nehmen konnten. Jerry Markham lag rücklings über die Holzbänke gestreckt. Es sah sehr unbequem aus. Oben und unten ragten sein Kopf und die Füße über die Bank hinaus, sodass der Kopf hintenüberfiel. Seine Schuhe waren ganz offensichtlich teuer gewesen. Um ihre Eltern zu ärgern, war Willow einmal mit einem Offizier von der Army ausgegangen. Auch der hatte immer teure Schuhe getragen, und auch etwas an der steifen, unnatürlichen Haltung des Toten in dem Boot erinnerte sie an ihn. Auch wenn die Erinnerung nicht so

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