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Tote Wasser (German Edition)

Tote Wasser (German Edition)

Titel: Tote Wasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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solches Hotel zu unterhalten. Auf den Uists gab es keins von dieser Größe und Eleganz.
    «Sie mögen sie. Das Hotel gibt den Leuten hier Arbeit. Die Preise sind ziemlich happig, aber es läuft offenbar gut. Gedacht ist es für Touristen und Geschäftsleute, aber wenn die Einheimischen was zu Feiern haben, gehen sie in der Hotelbar oder im Restaurant essen.» Und Sandy begann, von der Vergangenheit der Markhams zu erzählen. Willow hatte das Gefühl, er würde, wenn sie ihn nur ermutigte, auch noch ein paar Generationen weiter zurückgehen. Doch ihr gefiel das. Es gefiel ihr zu erfahren, dass die Menschen hier Wurzeln hatten. Ihre eigenen Wurzeln waren nur in sehr flachem Boden verwachsen. Während Sandy redete, wünschte sie, sie hätte daran gedacht, ein Notizbuch aus ihrem Rucksack zu holen, um mitzuschreiben.
    Lerwick sah wie eine große Stadt aus, mit Ampeln und Supermärkten und Fabriken am Ortsrand. «Wollen Sie erst Ihre Sachen ins Hotel bringen», fragte Sandy, «oder sollen wir direkt nach Aith fahren und uns den Tatort ansehen?»
    «Direkt nach Aith.» Das war Vicki Hewitt von der Rückbank. «Der arme Kerl liegt schon die ganze Nacht da. Das ist lang genug, finden Sie nicht auch? Hat James ihn schon gesehen?»
    James Grieve, der Gerichtsmediziner, hatte sein Institut in Aberdeen. Willow war ihm noch nie begegnet und kam sich ein bisschen ausgeschlossen vor. Als wäre sie die Neue an der Schule, die noch nicht recht in die gewachsenen Gruppen hineinpasste, egal, wie nett die anderen Kinder zu ihr waren.
    «Er sollte jetzt eigentlich dort sein», sagte Sandy. «Der Flug von Aberdeen ist der erste, der morgens reinkommt, und wir haben dafür gesorgt, dass er abgeholt wird.» Schon ließen sie die Stadt hinter sich und fuhren Richtung Norden, vorbei an riesigen Windkrafträdern, die sich auf dem Hügel langsam drehten. Die Landschaft war karg und sah aus wie vom Wind zerzaust. Es gab keine Bäume, nicht einmal angepflanzte Nadelbäume. «Morag hat ihn abgeholt.»
    Aith lag abseits der Hauptstraße. Das hatte Willow in der Nacht zuvor zu Hause auf der Landkarte gesehen. Eine einspurige Straße mit gelegentlichen Ausweichstellen führte dorthin, über karge Hügel und durch Torfmoor. Überall sah man Wasser: das Meer, Salzwasserbuchten und kleine Tümpel. Wenn ihnen doch mal ein Auto begegnete, winkte der Fahrer oder nickte ihnen zu. An einem Ort wie diesem fällt ein Fremder doch auf, oder nicht?, dachte Willow. Obwohl die Landschaft wahrscheinlich auch Touristen anzog, die sich ebenfalls abseits der Hauptstraßen aufhalten mochten.
    Während sie auf die Ortschaft zufuhren, erkannte sie die Anzeichen einer Mordermittlung schon aus der Ferne. Mehr Autos, als man erwarten würde. Das blau-weiße Absperrband der Polizei, das im Wind flatterte. Eine Gruppe von Menschen, die ungewöhnliches Interesse an einer großen Jolle zeigten, die mittlerweile mit Hilfe einer Winde auf den Pier gehievt worden war, damit der Gerichtsmediziner einen guten Blick auf die Leiche an ihrem Fundort hatte. Während sie alles beobachtete, wurde ein weißes Zelt um die Jolle errichtet. Natürlich gab es Schaulustige. Selbst in einem so kleinen Dorf wie Aith gab es Spaziergänger, die es für interessant oder aufregend hielten, eine Leiche zu sehen. Hier hatten sich ein paar alte Männer und einige Kinder am Rande des Geschehens versammelt.
    «Wir haben die Schule übers Wochenende in Beschlag genommen», sagte Sandy plötzlich. «Dort gibt es eine Internetverbindung, Telefone und eine Küche, sodass wir unseren Leuten was zu essen machen können. Und Toiletten.» Er schwieg, und sie merkte auf einmal, dass er auf ihr Lob wartete. Es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass er eins brauchen könnte. Schließlich war das hier sein Gebiet.
    «Prima!», sagte sie. «Gute Idee.» Und sie sah, wie er sich entspannte und lächelte.
    Sie parkten auf dem Pausenhof. Als sie sich der Anlegestelle näherten, kamen nicht etwa Polizisten in Spurenschutzanzug und Überschuhen oder der Gerichtsmediziner auf sie zu, sondern eine Frau Mitte vierzig, die dicht vor der Absperrung gestanden hatte. Als sie Willow erblickte, streckte sie ihr die Hand entgegen. «Rhona Laing», sagte sie. «Ich bin die Staatsanwältin.» Dem Akzent nach kam sie aus Edinburgh. Aus den oberen Kreisen von Edinburgh, kurz angebunden und eisig. Sie trug einen Tweedblazer über einem Kaschmirpullover und eine graue Wollhose. Praktische Schuhe, die wundersamerweise nicht schmuddelig

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