Toten-Welt (German Edition)
der Stirnknochen des Mönchs zerbrach wie eine Eierschale. Der stinkende Tote verdrehte die Augen und brach über ihre zusammen.
Franz von Neuminingen wusste nach dem Verhör des Richters, dass sie ihn nicht laufen lassen würden, und er hoffte auf einen schnellen Tod. Hauptsache, sie würden ihn aus dem Stock holen und aufrecht sterben lassen. Er hätte sich gewünscht, sich zuvor noch mal säubern und mit Würde und Stolz seines Amtes ans Schafott treten zu können statt wie ein elender Kerker-Krüppel.
Auch das würde wohl nicht geschehen. Das Beste, was ihm wiederfahren konnte, war wohl, dass sie ihn befreien würden, er sich an Ort und Stelle niederzuknien und das Schwert zu empfangen hätte. Fast freute er sich darauf, denn die Hölle des Stocks meinte er nicht einen Augenblick länger ertragen zu können.
Was dann passierte, war nicht ermutigend, aber unerwartet freundlich: Einer der Kerkerwächter kam mit einer dampfenden Schüssel in seine Zelle, die nach Wildschweinbraten roch, ein anderer trug eine Kerze und einen Krug, in dem eine schaumige Flüssigkeit schwappte. Bier!
Die Reaktion seines Körpers war eine Art Hochstimmung, obwohl klar war, das würde seine Henkersmahlzeit sein. Am meisten freute er sich darauf, frei zu kommen. Endlich wieder Arme und Beine bewegen, den Rücken beugen und strecken und aufstehen können! Das ersehnte er so sehr.
Aber der Kerkerwächter nahm mit seinen dreckigen Pfoten einen der Fleischlappen aus der Schüssel und schob ihm das Ding so unerwartet und schnell in den Mund, dass er das Gefühl hatte, zu ersticken. Instinktiv spuckte er aus. Die Kerle lachten, einer meinte: „Mein letztes Maul voll Fleisch würde ich nicht auch noch verschmähen.“
Der andere stellte fest: „Wenn du nicht willst, mir recht“ – und setzte sich den Krug Bier selbst an die Lippen.
„Ich will ja“, rief von Neuminingen, als er zu Ende gehustet hatte, und er ärgerte sich darüber, wie kläglich er klang. „Aber könnt ihr mich nicht selbst essen lassen? Öffnet den Stock!“
Den letzten Satz brachte er als Befehl zustande, und er klang wieder so wie sein Leben lang, als alle vor ihm krochen außer dem Fürstbischof.
„Sonst was?!“
Die beiden grobschlächtigen Kerle taten eingeschüchtert, aber brüllten dann los vor Lachen.
„Du tust recht, Freund, dir das Bier zu genehmigen“, sprach nun der eine den anderen an als seien sie unter sich. „Ich hatte auch nicht eigentlich vor, den guten Braten zu teilen.“
Schon hatte er sich ein Stück Fleisch aus der Schüssel selbst in den Mund gesteckt, kaute und schmatzte und gab Wohllaute von sich. Der andere kippte den restlichen Krug Bier in seinen Schlund und verschüttete dabei den größten Teil über Hals und Brust.
Franz von Neuminingen war so enttäuscht, dass ihm die Tränen kamen. Bis er es selbst bemerkte, war es schon zu spät. Der eine stieß den anderen an, prustete los und brüllte: „Jetzt haben wir ihn zum Heulen gebracht, den großen Burgvogt. Hoffentlich verpetzt er uns nicht beim Richter.“
„Kann er nicht“, sagte der andere böse, kippte das restliche Fleisch vor Neuminingens Füßen auf den verdreckten Boden und wischte sich den Mund sauber.
„Ans Werk nun.“
Der andere schleuderte den Bierkrug gegen die Zellenwand, dass er zerbarst und zurückprallende Scherben wie fest geworfene Steine auf Neuminingen regneten. So schnell kam also nun sein Ende. Keine öffentliche Hinrichtung, keine Anwesenheit der Richter, kein echter Nachrichter, sondern zwei erbärmliche Kerkersburschen, die ihm den Hals abhieben. Hier in dieser erbärmlichen Zelle und ohne noch einmal aufstehen, frei niederknien und die Hände zum Gebet zusammengelegen zu können.
Aber sie kamen nicht mit dem Schwert, sie kamen mit Feldbrocken. Erst begriff er nicht recht, als sie einen Sack Steine vor der geöffneten Zellentür abkippten.
„Schließen wir die Tür, oder...“, fragte der eine, aber der andere fiel ihm schon ins Wort: „Ne, offen lassen. Soll er uns doch zusehen.“
Beide lachten in unausgesprochenem Einverständnis. In einem hölzernen Trog hatten sie mit den Steinen etwas angeschleppt, das träge schwappte. Er brauchte deshalb so lang, zu verstehen, weil es so duster war für ihn. Zwar hatten sie draußen nun Fackeln statt Kerzen, aber das blendete ihn mehr als dass es ihm sehen half, und er war so verwirrt und abgelenkt.
Vor ihm, nur einen halben Meter weit und unerreichbar, lag das Fleisch und duftete zu ihm hin.
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