Toten-Welt (German Edition)
auch der Versuch zu sprechen.
Leistner war perplex, aber schaffte es noch, das Schwert hoch zu reißen. Kuckel rannte mit dem Bauch hinein, kam dadurch auf Griffweite heran, packte Leistner an der Uniform und biss zu.
Ein Schuss peitschte über den Burghof und traf Kuckel in den Kopf. Mertel ließ vor Schreck die Streitaxt fallen und lief sofort rot an, als er begriff, welch doppeltes und dreifaches Versäumnis er sich hatte zuschulden kommen lassen – er, der vermeintlich kampferprobte Profi.
Geschossen hatte ein junger Soldat von der Wehrmauer aus. Ein Milchbart, schlaksig und in seiner Tarnuniform wirkend wie ein verkleidetes Kind. Alle drei sahen ihm kurz zu, wie er das Gewehr aus dem Anschlag nahm und seinerseits die Viererszenerie auf dem Burghof beobachtete.
Kuckel taumelte zu Boden und zog Leistner mit sich. Der knickte ein wie tot und schlug aufs Pflaster, zuckte dort aber heftig, ächzte angewidert, ließ sein Schwert los und befreite sich aus dem Griff der Leiche. Schnell war er auf den Knien, blieb so am Boden neben Kuckel und schien zu verschnaufen. Seine Halswunde blutete, aber nur schwach. Leistner packte ihn unter den Armen und half ihm auf die Beine.
„Benutzen Sie Ihre Axt“, kam ein harter Befehl von der Wehrmauer. Wieder schauten alle drei nach oben und sahen den Milchbart, der mit seinem Gewehr auf den wie tot daliegenden Kuckel zeigte. Das Einschussloch war in der Schläfe.
„Man weiß nie, ob die nicht doch wieder aufstehen. Unteroffizier Leistner sollte sich in Quarantäne begeben.“
„Junge!“, sagte Leistner, wehrte sich gegen den Griff von Niedermüller und presste seine Handfläche gegen seine Wunde. „Wissen Sie, was auf der Burg los ist? Eine Krankenstation gibt es nicht mehr. Was noch lebt, ist auf den Mauern. Und ich werde dringend gebraucht.“
Der Milchbart zuckte mit den Schultern, drehte sich um und bezog wieder seinen nach außen, zum Graben hin gerichteten Posten.
„Nun machen Sie schon!“, sagte Leistner zu Mertel und deutete auf Kuckel und die Axt. „Und sobald ich werde wie er, machen Sie das selbe bei mir.“
Der Panzer hatte ganze Arbeit geleistet. Hunderte von Zombies lagen zerfetzt und in den Matsch gewalzt am Burggraben, als die tonnenschwere rollende Waffe endlich abdrehte und am Ravelin vorbei den Weg ins Tal einschlug. Die meisten waren längst abgesprungen und wichen zur Seite, so dass die Abfahrt des Panzers von den Mauern aus frei zu beobachten war. Wer nicht zur Seite wich, wurde plattgemacht.
Hinter dem Ravelin, von der Burg nicht einsehbar, passierte nun zweierlei. Helfert, der Gnom, der OB und der Rocker setzten vorsichtig wie eine kostbare Fracht die Platte mit Neuminingen ab – so sanft, als handle es sich bei dem vertrockneten, durch Einschüsse zerfetzten Ding um die größte Kostbarkeit der Welt. Sie hatten, nachdem die Angriffe von den Burgmauern her sich auf sie konzentriert hatten, sich hinter den bunkerartigen Vorbau geflüchtet, und Neuminingen telepathierte von hier aus.
Einer seiner Befehle, der wichtigste, wurde gerade erfüllt: Man reichte ihm einen Beutel, der prall mit etwas gefüllt war, nämlich genau mit dem Inhalt, um den es hier ging. Um den überhaupt alles sich drehte.
Seit sich die ersten Leichen innerhalb der Burgmauern erhoben, hatte sich die Belagerung eigentlich erledigt, und deshalb unternahm man seitdem nur noch Scheinangriffe – bis auf den einen Hauptangriff auf das Vorburgtor.
Nicht alle Untoten in der Burg waren für die Gedankenbefehle Neuminingens empfänglich, aber der erste, zu dem er durchdrang, war gleich ein Volltreffer. Er gehörte zu den Schlaueren, ein Soldat, der schon in der Kaserne verwundet und dann nach oben transportiert worden war.
Wer so lange gelitten hatte, den erlösenden Tod fand und dann zurückkehren konnte, der empfand so etwas wie Dankbarkeit über seine neue Erscheinungsform und war zum Dienen bereit. Und so besorgte er nicht nur eines oder ein paar Fläschchen mit Wiccas Essenz, sondern sammelte, da er ja den Auftraggeber hörte und spürte und als neuen Führer anerkannte, einen ganzen Beutel voll der verschiedensten Anreicherungen aus allen möglichen Räumen und Kellern, die Wicca als Lager eingerichtet hatte.
Den Beutel warf er nicht einfach über die Mauer, sondern reichte ihn unter Gefährdung seiner neuen, stabilen, aber nicht unzerstörbaren Existenz an einer der Scheinrampen an den obersten möglichen Empfänger, der sich sofort damit zurückzog. Während es
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