Toten-Welt (German Edition)
dazwischen.
„...und geheimnisvolle Tränke braut?“, vollendete der Burgvogt seinen Satz. „Tränke, die so wohl tun, dass der Teufel sie zusammengerührt haben könnte.“
„Zugegeben. Damit sollte sie wohl besser aufhören.“
„Wirklich?“
„Aufhören, damit nicht hinterm Berg zu halten und es für alle Welt zu tun.“
„Aber das wird sie nicht. Es wäre zu ihrem Schutz, wenn wir sie auf die Burg holten. Was an Dorf noch vorhanden ist, lässt sich leicht dem Erdboden gleich machen, auf dass es ihr verginge, je wieder da hin zu siedeln.“
„Ihr mögt doch Maria Berkel ganz und gar nicht leiden“, stellte der Fürstbischof argwöhnisch fest. „So klang Eure Rede bis zu diesem Tag. Warum auf einmal dieser Einsatz für ihr Wohlergehen?“
„Von Abneigung war nie die Rede. Ich missbillige nur, wie sie lebt und was sie tut.“
„Was sie tut, dient meiner Gesundheit. Und wenn sie so leben muss, mitten in der Natur, um Kräuter zu sammeln und meiner Verfassung wohl zu tun, dann wäre es ein Frevel, ihr das gänzlich zu nehmen. Etwas mehr Verschwiegenheit freilich...“
„Ihr habt es ihr aber genommen“, fuhr der Burgvogt unangemessen empört dazwischen.
„Habt Ihr nicht diesen Tausch eingefädelt?! Über was streiten wir hier überhaupt?“
Es klang verzweifelt, und der Burgvogt resignierte.
„Tut mir leid, Eure Eminenz. Ich habe mich von meiner Besorgnis hinreißen lassen.“
„Eure Besorgnis ehrt Euch. Wir sollten eines auf alle Fälle tun: Maria muss in Kenntnis gesetzt werden. So hat sie Gelegenheit, neu zu entscheiden. Gebe Gott, dass sie nun, da sich die Lage geändert hat, die richtige Wahl trifft.“
„Und gebe Gott, dass wir die Kraft aufbringen, sie zu einer besseren Entscheidung zu befähigen, falls sie es nicht selbst vermag.“
Maria war gänzlich außer Atem und hatte einen verstauchten Knöchel, als sie, an die Hand geklammert und vorwärts gezerrt von Hermann, die inzwischen immer dichter ans Dorf heranwuchernde Waldgrenze erreichte. Er war vor ihr her gehetzt und schließlich gerannt, und mehr als die Tatsache selbst, es mit lebenden Leichen zu tun zu haben, beunruhigte sie seine Eile. Sie entwuchs nicht oder nicht nur seiner knappen Zeit, sondern offenbar wachsendem Entsetzen, vielleicht Angst.
„Ist sie das?“
Er hielt inne, und jetzt sah auch Maria von dem Hügel herab, auf dem sie standen, die geneigt dastehende Gestalt auf dem Dorfplatz verharren. Das Mondlicht war hell genug, um Schemen zu erkennen, nicht aber Einzelheiten.
„Nein, sieht nicht so aus. Sie war kleiner, magerer und hell angezogen.“
„Und wer ist dann das da?“
„Ich weiß es nicht.“
„Macht es dir denn gar keine Angst, dass hier mitten in der Nacht ein Fremder auf dich lauert?“
„Wer sagt, dass er auf mich lauert? Vielleicht hat er sich nur verlaufen. Du bist ja außerdem bei mir.“
„Aber sonst bist du allein. Wie kannst du so nur leben!“
In seiner Stimme klang deutlich an, dass er nach Gründen suchte, nicht da hinunter zu müssen, obwohl er doch dringlich zu untersuchen gedachte, was es mit Marias Schilderungen auf sich hatte.
„Bisher bekam ich keine Besucher aus dem Grab. Nachts kam überhaupt niemand hierher.“
„Aber auch des tags und abgesehen von... von möglicherweise unheimlichen Begebenheiten. Jeder Räuber kann dich allein hier draußen vorfinden. Du bist ganz auf dich gestellt.“
„Das weißt du seit zwei Jahren und denkst nicht daran, mich hier wegzuholen. Nur wegen dir bleibe ich doch hier draußen allein.“
„Ich weiß, aber...“
„Gehen wir jetzt endlich mal da runter? Ich will wissen, wer das ist.“
Nun war sie es, die voranging, leicht humpelnd, und ihn hinter sich her zog. Nach einigen Metern entwand er sich ihrem Griff. Sie wusste nicht, ob es aus Angst vor der Gestalt war oder aus Angst, was die Gestalt über sie beide als Paar denken mochte.
„Sieht aus wie ein Mönch“, flüsterte er hinter ihr so leise, dass sie es kaum verstehen konnte. Sie hatte den selben Gedanken gehabt beim Anblick der Kapuzen-Kutte, die alles bis auf die nackten Füße verhüllte. Die Hände hatte der schweigende Besucher in den Ärmeln versteckt.
„Was liegt an, Herr?“, fragte Maria laut, als sie sich der Gestalt bis auf zwei Meter genähert hatte. Sie sah nun, dass sie es mit einem Unbewaffneten zu tun hatten. Ganz langsam, wie im Stehen aus dem Schlaf erwacht, wandte der Fremde sich ihr zu. Hermann holte sie ein, wurde mutiger und zugleich
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