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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Stärke eines Männer-Oberschenkels mit fünf Dochten, um das Erhitzen beim Mischen und Verändern der Substanzen zu beschleunigen.
    Maria war etwas unheimlich zumute dabei, die Kerze brennend vorzufinden. Hermann war zur Frühmesse geeilt, und zwar ob der Dringlichkeit ohne zuvor sein Allerheiligstes aufgesucht zu haben. Warum sollte er die wertvolle Kerze aus echtem Bienenwachs an die Nacht verschwendet haben? Vielleicht eine List, um seine Anwesenheit vorzugaukeln, während er in ihren Armen lag?
    Sie nahm diese Möglichkeit als gegeben und fasste die schwere Kerze mit beiden Händen und höchster Vorsicht, um die beträchtliche Menge an flüssigem Wachs, das sich angesammelt hatte, nicht zu verschwappen.
    Draußen war es längst hell, aber der hintere Teil des Gewölbes empfing selbst in der Mittagszeit kaum Sonnenlicht, woran nicht nur die Nordlage des Eingangs ihren Anteil hatte, sondern vor allem der uralte ausladende Ahorn zwischen Kräutergarten und Gebäude. Als sie am Tag zuvor hier gewesen war, hatte sie deshalb ihren Augen nicht recht getraut, denn das Schattenspiel der Kerze in Mischung mit den Lichtreflexen, die der sich brüstende Baum gelegentlich hereinwarf, war es kaum zu sagen, ob eine dunklere Stelle an der Wand tatsächlich auf andersfarbige Steine oder Gaukelei der Sinne zurückzuführen war.
    Jetzt aber sah sie, dass ihre Sinne sie nicht getrogen hatten. Tatsächlich waren die Steine links des Experimentiertisches nicht nur andersfarbig, sondern auch anders geformt, und sie bildeten keinen strukturlosen Fleck, sondern eindeutig den klaren, sauberen Bogen eines vermauerten ehemaligen Durchgangs.
    Diese Erkenntnis freilich half ihr überhaupt nicht weiter, denn was hier vermauert aussah, das war es auch. Es gab keine Ritze in der Wand, die auf einen versteckten Zugang in geheime Räume hingedeutete hätte. Und doch wusste sie, dass hier etwas sein musste. Hermanns Blick hatte es ihr verraten. Er hatte ausgesehen wie jemand, der begriff, dass ein anderer einen Zipfel seines Geheimnisses erhascht hatte, aber mit diesem Zipfel nichts würde anfangen können, weil es zu gut verborgen war.
    Mit größter Vorsicht balancierte sie die Kerze zurück zu ihrem Platz und achtete genau darauf, innerhalb der erhärteten Wachstropfen die Stelle zu finden, an der sie zuvor gestanden hatte. Es gelang ihr, aber beim Loslassen streifte sie den Kerzenkörper und brachte ihn zum Überschwappen.
    Erschrocken versuchte Maria, das herabrinnende Wachs zu stoppen, indem sie den Daumen als Barriere darunter legte, aber heiß rann es ihr drüber und darunter an die Kerze zurück und weiter. Fieberhaft versuchte sie, den Querbalken ihres Daumens und die lange Bahn der Wachsrinne zu vertuschen, und erzeugte dadurch erst recht eine unnatürliche Kreuzform am Kerzenkörper.
    Sie ließ ab. Der Schaden war eingetreten und wohl kaum zu übersehen, also kippte sie die Kerze abermals und ließ Wachs über ihre Spuren rinnen in der Hoffnung, sie zu übermalen. Kerzen liefen eben manchmal über. Es würde unbemerkt bleiben. Ihre Angst war übertrieben.
    Sie ließ ab und kam zurück zum Zweck ihres Hereinstehlens. Die Wand anstarrend, versuchte sie, sich zu erinnern, wohin Hermanns Blick genau gefallen war – und dabei kam ihr wie von selbst und ungerufen, aber höchst willkommen eine Erinnerung, die sich an einem anderen Ort vielleicht nicht mehr von selbst zurückgemeldet hätte, war sie doch von der Schwere der Ereignisse seitdem in den Hintergrund gedrängt worden.
    Aber sie war wichtig genug. Hermann hatte sie um eine Gefälligkeit gebeten. Nun kam ihr die Idee, den von ihm so dringlich gewünschten Besuch beim Nachrichter und das, was er von ihm zu erhalten gedachte, von Gegenleistungen abhängig zu machen. Er sollte das Blut des Delinquenten bekommen. Aber dafür würde sie nichts Geringeres verlangen als die Wahrheit über die Inhaltsstoffe seines Gebräus.
     
    Der Stellvertreter des Burgbesatzungs-Kommandanten wusste genau, warum man ihn geschickt hatte. Er kannte Maria Berkel nur von der Ferne und hatte sie sofort als das erkannt, was sie war. Denn er selbst war einer, der sich, im Gegensatz zum viel zu nachsichtigen Fürstbischof, mit dem Hexenunwesen auskannte, es verfluchte und zu denen zu gehören gedachte, die es bekämpfen und ausmerzen würden in diesen Zeiten höherer Wachsamkeit und Härte, die vor kurzem begonnen hatten.
    War es denn kein klares Zeichen für unheilvolle Mächte, wie sehr der Fürstbischof und

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