Totenacker
ein Kind bekommen haben.»
«Ach du Scheiße!»
«Ich kann es einfach nicht begreifen», sagte Penny, jetzt lauter. «Gereon ist einer der besten Fahrer, die ich kenne. Und wieso ist er nicht abgesprungen? Man springt doch ab, wenn man die Kontrolle über die Maschine verliert, das macht man ganz automatisch.»
Es blieb eine Weile still.
Endlich fragte Cox vorsichtig: «Geht’s wieder?»
Penny straffte sich. «Ja, sicher», und schaute van Appeldorn an. «Dann bringt uns mal auf den Stand der Dinge. Wir wissen nur, was in der Zeitung stand.»
«Wir müssen also warten, bis Klaus und Arend heute Nachmittag kommen», meinte sie, als van Appeldorn geendet hatte. «Sind die Skelette intakt?» Sie hob die Hand, als sie van Appeldorns unmutiger Blick traf. «Ich weiß schon, der Bagger. Ich dachte nur, wenn es sich um Bombenopfer handelt, dann müssten die Knochen doch kaputt sein.»
«Das habe ich beim besten Willen nicht erkennen können.»
«Es schadet auf keinen Fall, wenn wir uns im Stadtarchiv die Bebauung am Opschlag vor dem Krieg anschauen», sagte Bernie. «Besser, als bis zwei hier zu sitzen und Däumchen zu drehen.» Was auch ihm einen verärgerten Blick einbrachte.
«Na, dann macht euch auf», meinte Cox schnell. «Ich halte die Stellung und gucke mal, was ich im Netz darüber finde.» Er fuhr seinen Computer hoch. «Man könnte vielleicht auch mal Jupp fragen, der kennt bestimmt jemanden, der etwas darüber weiß.»
Josef Ackermann, ein Kollege vom Betrugsdezernat, war am Niederrhein geboren und aufgewachsen und kannte immer einen, der einen kannte, und er half stets höchst erfreut bei der Mordkommission aus.
«Jupp ist gar nicht im Lande.» Van Appeldorn hörte sich beinahe erleichtert an. «Soweit ich weiß, ist er in Spanien einem internationalen Subventionsbetrug auf der Spur.»
Als sie aus dem Stadtarchiv zurückkehrten, hängte van Appeldorn erst einmal die Kopie eines Stadtplans aus dem Jahr 1929 an die Ermittlungstafel.
An der rechten Seite des Kanals zwischen den beiden Brücken hatten damals keine Häuser gestanden, das wussten sie jetzt.
Der Archivar war sehr hilfsbereit gewesen, hatte den drei Kripoleuten die verschiedensten Quellen gezeigt, und wenn die Zeit nicht gedrängt hätte, wären sie sicher viel länger geblieben. So hatten sie nur das Wichtigste kopiert und setzten sich nun zusammen, um sich ein erstes Bild der Stadt während der Kriegsjahre zu machen.
«Als Ende August 1944 die Front näher rückte, erging der Befehl, einen Panzergraben auszuheben, der sich vom Dorf Keeken an der holländischen Grenze bis zur Anhöhe des Reichswaldes zog, ein 3 Meter 50 tiefer, oben 8 Meter breiter Graben, der die Panzer der Alliierten aufhalten sollte», begann van Appeldorn. «Da die wehrtüchtigen Männer alle an der Front kämpften, wurden Hilfskräfte aus dem Ruhrgebiet herangeschafft. Männer, sechzig Jahre und älter, gruben täglich, auch sonntags, von morgens um acht bis abends um sechs. Aber die Arbeit ging nicht schnell genug voran, also brachte man Kriegsgefangene, Holländer, Italiener, Polen, Russen, Ukrainer, Tausende.
Untergebracht wurden sie zu Hunderten in Baracken, Kuhställen, Scheunen und Schulen. Das Essen war knapp, dünne Suppe und Brot, es gab kein fließendes Wasser, keine sanitären Anlagen, Infektionen breiteten sich aus, die Männer waren unterernährt und schwach. Die Aufsicht über diese verzweifelte Aktion hatte die SA.
Während der gesamten Bauzeit griffen immer wieder Tiefflieger die Schanzarbeiter an, aber es wurde auch auf Eisenbahnen geschossen, auf Tiere und Zivilisten.
Am 17. September 1944 beim Grenzort Wyler «fiel die Front vom Himmel». Die amerikanische 82. Luftlande-Division ließ ihre Truppe mit Fallschirmen abspringen, Lastensegler setzten schweres Gerät ab, brachten Waffen und Munition.
Die SA-Leute machten sich aus dem Staub und ließen die Schanzarbeiter zurück.
Plötzlich war der ganze Kreis Kleve überschwemmt mit fremden Arbeitern und zurückflutenden Truppen.
Auch in der Stadt herrschte Chaos. Parteigenossen versteckten ihre Uniformen und schlossen sich den aus Holland Richtung Wesel fliehenden Frontsoldaten an. Fremdarbeiter zogen durch die Straßen, desertierte Soldaten schoben Handkarren mit Möbeln und Haustieren, Plündergut aus Holland und den Dörfern auf deutscher Seite.
Die Front erstarrte auf deutschem Boden zwischen Wyler und Zyfflich, keine zehn Kilometer von der Stadt entfernt. Die Alliierten versuchten,
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