Totenbeschwörung
schließlich.
»Warum nicht?« Es war ihr ernst. »Du willst ihn doch da rausbringen, oder? Und du weißt auch, dass die Gefahr immer größer wird, je länger es dauert. Seine Chancen schwinden von Augenblick zu Augenblick. Wenn wir es schaffen, ihn zu erreichen, und er einverstanden ist ...«
Trask kratzte sich am Kinn. Die übrigen ESPer hatten sich um sie versammelt und sahen gespannt zu. »Okay«, sagte Trask. »Aber solltest du zu ihm durchkommen, mach es so kurz wie möglich. Erst einmal den Kontakt herstellen, dann überlegen wir uns, welche Einzelheiten du ihm später übermitteln kannst.«
Trask hatte all dies schon früher erlebt, aber für einige der anderen war es neu. Zek legte ihre Hand auf Chungs Linke, die immer noch die Haarbürste hielt, und mit den Fingerspitzen seiner Rechten berührte Chung die Mitte des kleinen Bildschirms. Sie schlossen die Augen, atmeten tief durch und konzentrierten sich ...
Plötzlich stockte ihnen der Atem!
Zek zog ihre Hand weg! Sie und Chung stolperten zurück, weg von dem Wandschirm. Trask hielt sie an den Armen fest, bis sie das Gleichgewicht wiedererlangten. Als Zek ihn anblickte, sah er, wie ihr Gesichtsausdruck sich von Erstaunen in pure Verblüffung verwandelte. »Zahlen!«, sagte sie. »Er mag zwar nicht wissen, was er mit ihnen anfangen soll, aber sie sind trotzdem ein Teil von ihm. Und eines weiß er mit Sicherheit: wie man sich hinter ihnen verbergen kann!«
»Oh ja, das sieht ihm ähnlich!«, sagte Trask und holte tief Luft. Erstaunt stellte er fest, dass er trotz all seiner Erfahrung doch tatsächlich den Atem angehalten hatte.
»Er versteckt sich«, wiederholte Zek. »Er schirmt seinen Geist ab. Und diese Abschirmung ist ... sehr stark. Wenn ich durchkommen soll, brauche ich Hilfe.«
Trask war klar, was sie meinte. Sie sprach von einer Gruppenaktion, einem kollektiven Versuch. Während sie mit Chung wieder näher an den Schirm trat, scharten sich die ESPer um sie, fassten sich bei den Händen und formten einen Halbkreis, dessen Zentrum Zek, Chung und Trask bildeten. Und nun lag Trasks Hand über den Händen der Telepathin Zek und des Lokalisierers Chung. Abermals berührte Chung den Schirm ...
... und hatte Kontakt zu Nathan!
Doch diesmal waren sie darauf vorbereitet. Zek trieb ihre telepathische Sonde mitten hinein in Nathans wirbelnden Zahlenstrudel und durch ihn hindurch. Nathans Gedanken – zunächst erstaunt, dann voller Angst – lagen offen vor ihr.
Wer ...?
Eine Freundin!, ließ sie ihn wissen. So wie ich eine Freundin deines Vaters war.
Meines Vaters?
Des Necroscopen Harry Keogh!
Einen kurzen Augenblick lang wurde das Wirbeln stärker, schneller und schneller, und drohte sie wegzuschleudern. Doch schon im nächsten Moment brach der Strudel in sich zusammen, und in seinem Zentrum ... war Nathan nichts als ein staunendes Kind.
Zek seufzte, denn in seinem Geist erkannte sie das Abbild seines Vaters wieder, so wie sie ihn vor langer Zeit gekannt hatte: warm, verletzlich und unschuldig. Das war immer das Paradoxe an ihm gewesen, und zum Schluss mehr denn je. Harry Keogh war ein Vampir gewesen und zugleich verletzlich! Ein Necroscope, der mit den Toten zu reden vermochte, und dennoch voller Wärme war! Ein Mann, ausgestattet mit den zerstörerischen Kräften eines Todesengels, und dennoch unschuldig!
All dies las Nathan in ihren Gedanken, und er wusste, dass sie seinen Vater gekannt hatte. Doch wer war sie?
Sie offenbarte ihm ihren Geist, und nun blieb Nathan die Luft weg. Zek!, hallte es durch ihr Bewusstsein. Lardis’ Freundin aus den Höllenlanden! Er spricht unentwegt von dir! Du warst doch bei den Travellern auf der Sonnseite und hast, noch ehe ich geboren wurde, in der Schlacht um den Garten des Herrn auf Seiten der Szgany gekämpft!
Sie ließ ein Bild für ihn entstehen, um ihm zu zeigen, wie es damals gewesen war, und es gab keinen Zweifel: Sie war tatsächlich dort gewesen! Denn man musste die Wamphyri schon kennengelernt haben, um sie derart lebendig schildern zu können oder einen solchen Abgrund an Abscheu erstehen zu lassen. Doch dann siegte ihre weibliche Neugier:
Wie alt bist du eigentlich, Nathan?
Er sagte es ihr.
Und nun fiel es Zek wie Schuppen von den Augen. Als der Herr des Gartens Jazz und mich wieder nach Hause brachte – hierher zurück – blieb Harry noch eine Weile in deiner Welt.
Mein Vater, spann Nathan den Faden weiter, Hzak Kiklu – zumindest hat man mir immer erzählt, er sei mein Vater gewesen –
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