Totenbeschwörung
Augen des Lokalisierers wie ein tollwütiges Wiesel hin- und hersprang und sie in Gedanken auszog. Ihr schauderte – nicht deswegen, weil er sie begehrte, sondern deshalb, auf welche Art er sie wollte.
Endlich war das Essen vorüber, und Siggi konnte sich in ihr Zimmer flüchten. Die Ereignisse des Tages hatten ihre ganze Kraft gekostet, und obwohl sie sich beinahe davor fürchtete, einzuschlafen, blieb ihr doch gar keine andere Wahl. Glücklicherweise kehrte der Traum der vergangenen Nacht (wenn es denn einer gewesen war) nicht wieder ... zumindest nicht bis zum Morgen, als sie feststellen musste, dass man auch hellwach noch in einem Albtraum gefangen sein konnte.
Denn das Wetter wurde zusehends besser, und Tzonov rechnete damit, dass der Hubschrauber gegen drei Uhr nachmittags die Startgenehmigung erhalten würde. Er und Yefros hatten eine Ahnung, wo der Flüchtige sich aufhalten könnte. Sie wollten ihn westlich von Kozhva suchen, und Siggi sollte sie begleiten. Yefros’ Aufgabe bestand darin, Nathan ausfindig zu machen (er hatte so eine merkwürdige Aura um sich, irgendetwas, was mit Zahlen zu tun hatte, hinter denen er seinen Geist verbarg). Anschließend sollte Siggi Yefros unterstützen, um einwandfrei zu bestätigen, dass es sich auch wirklich um Nathan handelte. Das dürfte ihr nicht allzu schwer fallen, wie Tzonov hämisch feststellte, immerhin habe sie ja bereits Nathans »Bekanntschaft« gemacht ...
Nun war es vier Uhr nachmittags, und Kozhva lag mittlerweile achtzig Kilometer hinter ihnen. Tzonov hatte sich nach vorn zum Piloten und Kopiloten gezwängt, Siggi teilte sich die Passagierkabine mit Alexei Yefros. Seine Gedanken mied sie tunlichst. Die Sonde, die er aussandte, konnte sie gleichsam spüren, so als handle es sich um Wellen, die sich auf einem Teich kräuselten, oder um ein persönliches psychisches Echolot, mit dem er nach Nathan suchte.
Yefros war gut. Über Kozhva wurde er auf einmal lebendig, deutete in westsüdwestlicher Richtung aus dem Fenster und rief: »Da lang! Da drüben ist er! Er verrät sich! Ich kann die Gleichungen, die er von sich gibt, geradezu sehen!«
Starside, dachte Siggi, ist eine Welt voller Vampire, dafür ohne jede Mathematik. Auf der Sonnseite, und mehr noch auf der Sternseite, könnte er sich wunderbar hinter seinen Zahlen verbergen. Die Wamphyri sprechen auf Angst, Schweiß und Blut an. Nathans Zahlen sind für sie nichts als atmosphärische Störungen. Es war zwar nur eine Vermutung, doch kam Siggi der Sache damit schon recht nahe. Hier bei uns jedoch verraten sie ihn und liefern ihn seinen Verfolgern aus.
Tzonov war in seine Landkarte vertieft, aber der Maßstab war zu klein, und er verfluchte die Ungenauigkeiten. Doch schon im nächsten Moment verengten sich seine Augen zu schmalen Schlitzen. Er tastete sich nach hinten in die Passagierkabine und fragte Yefros: »Westsüdwest?« Er stieß den Finger auf die Karte. »Sie meinen den Luza-Fluss, Richtung Izhma und Sizyabsko? Danach kommt nichts als gefrorenes Sumpfland! Sind sie auch sicher? Er läuft doch nicht aufs Geratewohl los! Da gibt es doch nichts!«
Yefros warf einen Blick auf die Karte, betrachtete sie eindringlich und riss schließlich die Augen weit auf. » Izhma! Das neue Ölfeld!«
»Was?«
»Briten und Amerikaner als Ingenieure, und die Russen erledigen die Arbeit«, fuhr Yefros fort. »Sie fangen gerade erst an. Vor ein, zwei Jahren ging es durch die Nachrichten. Reichtum und Überfluss für alle! Ein weiteres Beispiel west-östlicher Zusammenarbeit. So wie das französische Wasserkraftwerk, das sie an der Wolga planen. Ha! Die Ausländer liefern das Know-how und wir die Arbeiter. Es ist zum Kotzen! Die Leute vergessen schnell, wenn ein Ziel erst einmal erreicht ist. Aber der Tag wird kommen, an dem wir diese Bastarde rauswerfen! Und dann wird alles wieder uns gehören!«
»Briten und Ameri...« Tzonov blieb der Mund offen stehen. »Und sie sind noch dort?«
»Sie sind so ziemlich das Einzige, was es dort gibt!«, entgegnete Yefros.
Tzonov gingen beinahe die Augen über, während er einen Zettel aus der Tasche zog, ihn in der Faust zusammenknüllte und wegwarf.
Siggi nahm an, dass es sich um die Möbiusschleife handelte, die Trask gezeichnet hatte.
Tzonov bestätigte dies. »Ahhh ... Trask! «, knurrte er. »Du verfluchter Bastard! Mit Speck fängt man Mäuse!«
Zumindest lenkt man sie damit ab, dachte Siggi. Doch diesen Gedanken behielt sie wohlweislich für sich.
»Er soll zur
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