Totenbeschwörung
blickte ihn an und hob spöttisch eine Augenbraue. »Nein, ich kann sie nur nicht mehr sehen. Sie geht mir auf die Nerven – wie überhaupt jeder, der es wagt, meine Anordnungen infrage zu stellen. Aber vielleicht hast du ja Angst vor ihr, hm? Oder befürchtest du lediglich, dass sich etwas ändern könnte und du mit deinen Liebschaften nicht mehr so einfach zurande kommst wie bisher?«
»Mit meinen ... Liebschaften, mein Lord?«
»Tu doch nicht so! Ich weiß Bescheid über dich und die anderen.« Nestor senkte die Stimme zu einem gefährlichen Flüstern. »Meinst du etwa, ich wüsste nicht, was sie alles für dich arrangiert?«
Nun zeigte sich, dass Zahar tatsächlich Mut hatte. »Es war alles nur zum Besten der Saugspitze, mein Lord.«
»In der gesamten Feste gibt es nur ein einziges Wesen, auf das die Saugspitze angewiesen ist«, entgegnete Nestor leise. »Und das bin ich! Alle anderen können ersetzt werden, und glaub mir, das werden sie auch, wenn ich es für richtig halte. Und jetzt geh und sieh zu, dass du meinen Anweisungen Folge leistest.«
»Jawohl, mein Lord!« Froh, endlich gehen zu können, entfernte Zahar sich.
Wratha war schon vor einer geraumen Weile von ihrem so katastrophal verlaufenen Überfall auf Siedeldorf zurückgekehrt, doch sie ließ nicht ein einziges Wort darüber verlauten. Zweifellos saß sie in der Wrathspitze und leckte ihre Wunden.
In der Saugspitze dagegen grübelte Nestor darüber nach, was kommen würde. Er war nun ein Wamphyri im wahrsten Sinne des Wortes, der mächtige Herr einer Feste, zugleich ein Nekromant, der es verstand, die Gedanken der Toten zu lesen, und dazu noch ... Wrathas Geliebter? Was Letzteres anging, konnten die Dinge sich allerdings ändern. Lady Wratha mochte so hoch aufgestiegen sein, wie sie wollte, letztlich blieb sie, wie sie selbst ja nicht müde wurde zu beteuern, nur eine Frau.
Oh ja, sie hatte Ambitionen! Aber auch Nestor war ehrgeizig und er ging davon aus, dass sie deshalb früher oder später aneinandergeraten würden. Daran führte wohl kein Weg vorbei! Doch bis es so weit war, konnte er das Beste daraus machen, und es würde ihm mit Sicherheit nicht schwer fallen. Immerhin wusste Wratha seine Begierden zu stillen.
Doch mindestens ebenso stark wie seine Lust brannte in Nestor der Wunsch nach Rache an seinem Erzrivalen und an der Frau, die ihn einst betrogen hatte. Dies hatte absoluten Vorrang. Danach ...
... war der Turm an der Reihe. Canker stellte kein Problem dar. Er verhielt sich nicht anders als ein zahmer Wolf und fraß Nestor aus der Hand. Eines Tages würde er einen guten, verlässlichen Leutnant abgeben, dem Nestor vertrauen konnte.
Auch Wran und Spiro würde er sich schon noch gefügig machen. Wratha hatte es ja vorexerziert, nur waren sie ihr dann entglitten, nachdem sie hier angekommen waren und nicht mehr den tyrannischen Zwängen Turgosheims unterlagen. Sie vermochte ihnen nicht beizubringen, weshalb sie das Diktat eines erbarmungslosen Anführers gegen die Knute einer noch rücksichtsloseren Königin eintauschen sollten. Die Gebrüder Todesblick waren immerhin Lords und Wratha nur eine Lady ...
Nestor war zu Ohren gekommen, dass Spiro sich unablässig darin übte, allein durch seinen Blick zu töten. Zu guter Letzt vermochte er dabei sogar einen gewissen Erfolg zu verzeichnen.
Während eines Überfalls auf die Sonnseite waren die beiden Brüder in einen Hinterhalt geraten und gezwungen gewesen, sich ihrer Haut zu wehren, als die verzweifelten Traveller von allen Seiten auf sie eindrangen. Spiros Handschuh war im Schädel eines Mannes stecken geblieben und ließ sich nicht mehr befreien. Als einer der Traveller mit einer Machete auf ihn losging, hatte er es mit dem bösen Blick versucht, und siehe da, es zeigte sich, dass er das Talent seines Vaters geerbt hatte! Das Herz seines Angreifers blieb stehen, lebenswichtige Organe zerbarsten und der Mann fiel tot um, als habe ihn der Schlag gerührt.
Während Wran in der Lage war, seine Wut bis zur Raserei zu schüren, was ihn zu einem schrecklichen Gegner machte, verfügte sein Bruder also über die todbringende Fähigkeit des Eygor Todesblick. Allerdings hatte er sie bislang nur an Menschen erprobt und diese waren bekanntlich schwach, kein Vergleich zu einem Wamphyri. Nicht einen Moment glaubte Nestor daran, dass Spiros böser Blick ihm oder irgendeinem anderen Bewohner des Felsenturms etwas anhaben könnte. Dennoch schien angesichts von Spiros merkwürdigem Talent Vorsicht
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