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Totenbeschwörung

Totenbeschwörung

Titel: Totenbeschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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schüchtern. Doch in ihrem Kleid, das mehr enthüllte, als es verbarg, war sie einfach zauberhaft. Von der verheerenden Niederlage, die sie bei Siedeldorf erleiden musste, hatte sie sich erholt. Nun, da sie ihm gegenüberstand, erwachte Nestors Begierde aufs Neue, und das Blut schoss ihm heiß durch die Adern.
    Weil ich so viel zu tun hatte, log er.
    – Und was hattest du zu tun?
    – Nun, ich musste Glina ihres Amtes entheben und ihr den Laufpass geben.
    – Demnach bist also du der Grund, aus dem sie hier ist?
    Ja, erwiderte er, hauptsächlich, weil es seiner Wamphyri-Eitelkeit schmeichelte. Außerdem wollte ich ihr adoptiertes Gör zurück auf die Sonnseite schicken – oder in die Vorratskammern.
    – Oh? Aber mir sind Gerüchte zu Ohren gekommen, denen zufolge du den Jungen adoptiert hast.
    – Man sollte nicht alles glauben, was man so hört!, entgegnete Nestor.
    Sie hätten sich womöglich noch länger unterhalten, wäre nicht plötzlich ein Seufzen durch die Menge gelaufen. Zahar und die umstehenden Leutnants und Knechte legten die Köpfe weit in den Nacken, um an der schroffen Südwand der Wrathspitze emporzublicken. Sie standen auf einem natürlichen, ummauerten Vorsprung, der sich gut zwanzig Meter unterhalb der von der Sonne gebleichten obersten Stockwerke gleichsam wie ein Balkon über Wrathas Hauptlandebucht erstreckte. Hoch über ihnen wurde entlang einer Linie, die so regelmäßig schien, als durchziehe eine Gesteinsader die Felswand, das verwitterte Grau brüchiger. Von der Natur hervorgebrachte Kamine und Felssimse und von Vampiren errichtete Strebepfeiler, Fenster und knorpelige Laufstege wandelten sich zu einem nahezu kristallklaren Weiß, so als habe jemand dem Fels alle Farbe entzogen.
    Und tatsächlich verhielt es sich so, denn bis zu ebenjener Linie reichte das Sonnenlicht. Seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden waren die obersten Stockwerke der Feste seiner reinigenden Kraft ausgesetzt gewesen. Wenn der goldene Feuerball über der Sonnseite an seinen höchsten Punkt kletterte, sandte er seine glühenden Strahlen über die Gipfel und Pässe des Grenzgebirges, und genau hier trafen sie auf und versengten die Spitze des Felsenturms.
    Dort oben, auf einem Sims, duckte Glina sich, ein kleines Bündel fest an ihre Brust gepresst, in den Schatten einer winzigen Nische. Über einen Laufsteg aus Knorpel, der sich hier allerdings im Nichts verlor, war sie dahin gelangt. Die Nische war jedoch zu klein und würde ihr keinen Schutz mehr bieten, sobald die Sonne sich erst über die Gipfel erhob, um mit ihren Strahlen den Felsenturm von Ost nach West zu bestreichen.
    Dies war der Grund, aus dem Zahar und die Umstehenden den Atem anhielten, denn die nach Osten hin gelegenen Erker und Zinnen der höchsten Turmspitzen verwandelten sich bereits in blendend helles, glänzendes Gold, und Zentimeter um Zentimeter kroch die sengende Glut über den Fels auf die Spalte zu, in der sich Glina verbarg. Auch sie bemerkte es und wusste, dass ihre Zeit gekommen war.
    Sie trat auf das Sims hinaus und sah mit wildem Blick auf Wratha, Nestor, Zahar und die anderen hinab. Ihre Augen, mittlerweile genauso gelb wie das Licht, das sich in ihnen brach, hefteten sich auf Nestor und brannten sich in seine Seele.
    Geziert legte Wratha die Stirn in Falten. »Sie hasst dich!«
    »Sie hat auch allen Grund dazu«, erwiderte Nestor. Doch seine Kehle war trocken, die Stimme heiser.
    In diesem Moment geschah etwas Merkwürdiges. Mit einem Mal verspürte Nestor den Drang, Glina zu warnen, ihr zuzurufen, dass die Sonne immer höher steige. Er wollte ihr befehlen, endlich herunterzukommen, sich ein Fenster zu suchen und aus der Gefahrenzone zu verschwinden. Bisher hatte er angenommen, menschliche Schwächen wie Emotionen und Mitleid seien in ihm erstorben und gehörten endgültig der Vergangenheit an. Doch nun war er sich dessen nicht mehr so sicher. Irgendetwas regte sich in ihm, berührte ihn tief und ließ ein nagendes Gefühl zurück. Fühlte er sich womöglich schuldig? Er, ein Lord der Wamphyri? Lächerlich! Und dennoch ...
    Glina war doch nur ein harmloses Geschöpf, das er von der Sonnseite geraubt hatte! Was hatte sie schon getan, um ein solches Ende zu verdienen? Nun, nichts, aber schließlich war sie ja auch ein Nichts. Nur eine dumme Szgany-Schlampe, nicht mehr wert als ein Fingerschnippen. Wozu sollte er sich also Gedanken um ihr Schicksal machen?
    Wratha hatte alles mitbekommen. Eben, sie ist ein Nichts. Was kümmert sie

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