Totenbeschwörung
seine Vorspeise, fand, dass sie gut schmeckte, und aß mit Appetit weiter. Auch das Bier sagte ihm zu, aber er trank vorsichtig. Trask hatte ihn vor dem Alkohol darin gewarnt und Nathan wollte einen klaren Kopf behalten.
»Das Tor liegt am Oberlauf eines unterirdischen Flusses, der in die Donau mündet«, begann Trask. »Kurze Zeit nachdem dein Vater es entdeckt hatte, stürzten die Rumänen ihr altes Regime und öffneten die Grenzen. Der Kommunismus stand kurz vor dem Zusammenbruch. In Rumänien herrschten damals katastrophale Zustände. Die Menschen lebten kaum besser als Tiere, und alles nur, weil das politische System korrupt war ...« Er hielt inne. »Kannst du mir so weit folgen?«
»Ja«, nickte Nathan. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, aber ...«
»Sag bloß, du liest meine Gedanken, während ich rede?«
»Sofern es dir nichts ausmacht ...«
»Nein, nicht im Geringsten, nur zu! Ich habe nichts zu verbergen!«
»Na, dann erzähl weiter!«
»Sie baten den Westen um Hilfe«, fuhr Trask fort. »Nicht allein die Rumänen, sondern alle Satellitenstaaten der ehemaligen UdSSR. Der Westen verfügte über die Fähigkeiten, das Know-how und den Wohlstand, die in den demokratischen Systemen gewachsen waren, während die UdSSR und die mit ihr befreundeten Staaten ideologisch und finanziell vor dem Abgrund standen. Mit anderen Worten: Sie waren weder in der Lage, weiter zu expandieren, noch, sich in die Angelegenheiten kleinerer Staaten einzumischen. Sie stellten ganz einfach keine Bedrohung mehr dar! Welche Bedingungen konnten sie denn noch stellen? Ihnen blieb nur übrig, zu betteln.
Wäre es andersherum gewesen, hätten sie uns zweifelsohne überrannt. Aber wie ich dir bereits gesagt habe: Hier im Westen halten wir große Stücke auf die Freiheit aller Menschen! Also haben wir ihnen geholfen und tun es immer noch!
Vor allem Kinder waren in Rumänien arm dran. Sie litten besonders. Also bauten wir ein Kinderheim. Ich meine wir, das E-Dezernat, selbstverständlich mit dem Segen unserer Regierung. Es wurde direkt an der Stelle errichtet, an der der unterirdische Fluss an die Oberfläche tritt. Die Kraft des Wassers nutzten wir, um unsere Turbinen anzutreiben. Dieses Heim ist ein Ort der Zuflucht, Waisenhaus und Schule in einem – und zugleich eine Falle, man könnte auch sagen: ein Netz oder Filter!
Das aus der Erde tretende Wasser wird durch ein Röhrensystem geleitet, das jeden ... Festkörper herausfiltert. Derart stellen wir sicher, dass keine weiteren ›Besucher‹ aus deiner Welt zu uns gelangen, Nathan. Du musst wissen, dass jener Fluss in Rumänien seit Menschengedenken der Ursprung allen Vampirismus in dieser Welt ist. Doch von nun an hat nichts, was größer ist als ein Fisch, auch nur die geringste Chance, je in die Donau zu gelangen.
Die Situation war also folgende: Es gab zwei Tore, eins unter dem Ural in Perchorsk und ein weiteres tief unter der Erde in Rumänien. Perchorsk kennst du aus eigener Anschauung, du warst ja dort, und nun weißt du auch über das zweite Tor Bescheid. Um das eine kümmerten sich die Russen. Sie sicherten es ab und trafen jede erdenkliche Vorsichtsmaßnahme, um ein Eindringen der Wamphyri aus Starside zu verhindern. Das Tor in Rumänien hielten wir unter Beobachtung. Der einzige Unterschied lag darin, dass die Russen ihr Tor tatsächlich bewachen konnten, während wir noch nicht einmal Zugang zu dem unseren hatten.
Wie konnte es deinem Vater, Harry Keogh, dann gelingen, es zu erreichen? Nun ...«
»Das weiß ich«, unterbrach ihn Nathan. Nun war es an ihm zu reden, während Trask sich seinem Essen widmete. »Ich habe es in Perchorsk in Tzonovs Gedanken gelesen. Etwas, was mein Vater tun konnte und was Tzonov fürchtete. Er war sich nicht sicher, ob ich diese Fähigkeit auch besitze oder nicht. In den Köpfen deiner ESPer spukt es ebenfalls herum, auch bei dir, Ben. Etwas, was ihr das Möbius-Kontinuum nennt. Mein Vater vermochte sich damit ... an die unterschiedlichsten Orte zu begeben.«
Trask hielt mit seiner Gabel auf halbem Weg zum Mund inne und sagte: »Er konnte damit an beinahe jeden Ort dieses Universums gelangen! Und mit Sicherheit an jeden Ort dieser Welt! Aber Starside liegt in einem anderen Universum, das sich parallel zu unserem erstreckt, und Harry hatte keine Ahnung, wie er diesen Abstand mit Hilfe des Möbius-Kontinuums überbrücken sollte. Noch nicht einmal Möbius wusste es. Nur ein einziger Mann kannte das Geheimnis, dein Bruder! In deiner Welt
Weitere Kostenlose Bücher