Totenbeschwörung
Schwierigkeiten, ihn heraufzubeschwören. Seine Überreste liegen noch dort in der Erde, aber er befindet sich hier! Das hier ist er!
Nathan bediente sich der Totensprache und ihrer Bilder und demonstrierte so, was er vorhatte – woraufhin Prentiss durchdrehte. Denn er war sehr wohl in der Lage, das Szenario, das Nathan entwarf, zu verstehen, nicht minder als Scofield und der Rest der zahllosen Toten. Und nun, da er wusste, was ihm blühte, gewann sein Überlebensinstinkt ein letztes Mal die Oberhand.
Wieder stürzte er sich Hals über Kopf auf Scofield, und erneut prallte er gegen die Wand, die dieser errichtete, nur dass sie diesmal nachgab, sich um ihn faltete und ihn umhüllte wie der Kokon einer Spinne. Langsam, aber unerbittlich drückte John Scofield zu, der Kokon schloss sich immer enger um den verzweifelt schreienden Prentiss und ließ ihn schrumpfen. Allein durch Gedankenkraft komprimierte Scofield das Ektoplasma, das Prentiss’ Körper ausmachte, formte es zu einer Kugel, deren grotesker Inhalt nahezu flüssig wirkte, aber immer noch Prentiss’ Züge trug, bis auch diese allmählich schmolzen und sich auflösten. Je weiter der Kokon schrumpfte, desto leiser wurden Prentiss’ Schreie.
Was Scofield da machte, hatte nichts mit Nekromantie zu tun. Er fügte Prentiss keinerlei Schmerz im eigentlichen Sinn zu, sondern jagte ihm lediglich eine grauenhafte Furcht ob der Endgültigkeit des Geschehens ein. So sehr Nathan auch in sich horchte, konnte er doch keinen Funken Mitleid für das Objekt dieses Exorzismus aufbringen. Denn nichts anderes tat Scofield: Er trieb einen Dämon aus, befreite die Welt der Lebenden und der Toten von einer bösartigen Geschwulst, die nun keinen Schaden mehr anrichten konnte. Der Tod mochte zwar das Ende sein, doch die Vergeltung dauerte an.
Umschlossen von seinem Kokon schrumpfte Prentiss weiter. Er hatte nun gänzlich die Gestalt einer Kugel angenommen. Das Rund des Schädels lief in einen spitzen Unterkiefer aus, die Schultern krümmten sich zu einem Buckel, an dem zwei dicke Wurstarme saßen, die wiederum in riesigen, abgeflachten Händen endeten, die sich über einem gewaltigen Bauch falteten. Der Unterleib lastete auf gestauchten Beinchen und monströs gewölbten, völlig verformten Füßen. In dem Maß, in dem der Kokon kleiner wurde, wich auch jeder Anschein von Leben aus ihm. Selbst die Farbe des Fleisches schwand. An ihre Stelle trat ein faulig grüner Schimmer, das düstere Leuchten von Tod Prentiss’ Seele, gefangen in einer winzigen Kugel und darum umso wütender funkelnd.
Das telekinetische Behältnis hatte einen Durchmesser von mittlerweile kaum vierzig Zentimetern erreicht und schrumpfte noch immer. Eine Bewegung lief durch den Kokon, ein letztes verzweifeltes Aufbäumen, nicht stärker, als würde eine Seifenblase von einem Luftzug erfasst, doch einen Augenaufschlag lang glaubte Nathan, Prentiss wolle ausbrechen. Er hatte es zweifellos vor, aber er war bereits zu schwach und Scofields Talent zu stark, um ihm zu widerstehen.
Die Kugel wurde kleiner und kleiner und Prentiss’ Schreie, noch immer wutentbrannt, waren nur mehr ein Flüstern, das schließlich verklang.
Ich weiß nicht ... wie lange ... ich ihn darin festhalten kann, sagte Scofield, seine Stimme ebenfalls kaum mehr als ein Flüstern in Nathans Bewusstsein. Was du versprochen hast ... musst du jetzt tun! Denn wenn ich mich erst einmal verausgabt habe, wird es eine lange Zeit dauern, bis ich wieder eine solche Kraft aufbringen kann!
Nathan sah ihm an, wie erschöpft er war. Laut wandte er sich an die zahllosen Toten: »Helft ihm! Gebt ihm jedwede Unterstützung, die er braucht! Haltet Prentiss so lange fest, bis ich mich darum kümmern kann, oder all dies war umsonst!«
Sie verstanden. Ihre körperlosen Bewusstseine unterstützten Scofields Anstrengungen und halfen ihm, das pulsierende grüne Leuchten, das Prentiss war, noch dichter zusammenzupacken, bis es nur mehr ein winziges, in einem krankhaften Grün schimmerndes Kügelchen war ... Rasch nahm Nathan es an sich und steckte es in die Tasche!
Eigentlich eine Kleinigkeit, doch außer ihm vermochte dies niemand zu tun. Schließlich war er der Necroscope und nur er vermochte mit dem Tod und all seinen Begleiterscheinungen derart umzugehen. Nun, da die Große Mehrheit ihren Part erfüllt hatte, lag es an ihm, die Sache zu einem Ende zu bringen.
Die Toten und die Särge, auf denen sie saßen, verblassten, lösten sich auf, als wären sie niemals
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