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Totenbeschwörung

Totenbeschwörung

Titel: Totenbeschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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verfügte der Vampir in ihm über keine wirkliche »Intelligenz« ... Da er sich noch im embryonalen Stadium befand, bestand sein einziges Ziel darin, die dunkelsten Seiten seines Wirtes zu verstärken und dabei dessen menschliches Mitgefühl abzustumpfen und seine Empfindungen zu betäuben. Zugleich schärfte er diejenigen Fähigkeiten, die zu Nestors – und damit auch seinem – Überleben notwendig waren, aufs Äußerste. Denn Vampire waren vor allem anderen zählebig.
    Außerdem irrte Gore sich gewaltig. Nestor saß keineswegs nur »stumm da, ohne ein Wort zu sagen«, sondern er hatte seine zwar kleine, aber todbringende Armbrust vom Gürtel gelöst und auf seinem Schoß platziert, den Bolzen eingelegt und brauchte sie jetzt nur noch zu spannen. Bisher war alles ganz einfach vonstatten gegangen. Die Tischplatte der großen Tafel verbarg die Vorkehrungen, die Nestor traf, vor den Blicken der anderen. Doch nun musste er etwas Kraft aufwenden, was ihm niemals unbemerkt gelingen würde, zumal jetzt aller Augen auf ihn gerichtet waren. Er zögerte ... schließlich blieb ihm immer noch Zeit genug ... und wartete ab, was geschehen würde ...
    Canker, der direkt zu Nestors Linken saß, hatte sein verstohlenes Hantieren zweifellos mitbekommen. Er sagte jedoch nichts, sondern saß mit wild flammenden Augen einfach nur da, ließ seine Blicke von Nestor zu Gore und wieder zurück schweifen und hielt den Atem an. Unterdessen hatte Gore seine riesigen Hände flach auf den Tisch gelegt und sah aus, als wolle er sich erheben. Sein Blick war ebenfalls wild und verhieß nichts Gutes. Er hatte seine Herausforderung ausgesprochen. Wenn Nestor sie nicht annahm beziehungsweise noch nicht einmal darauf reagierte, lag das Recht zu handeln eindeutig bei Gore.
    Nestor saß so steif da, als habe er einen Besenstiel verschluckt, und blickte Gore an. Der Mann war ein Vampir. Er hatte an Muskelmasse zugelegt und seinen Körper wachsen lassen, bis er fast so wuchtig wirkte wie ein Lord. Er trug ein schweres Lederwams und gemessen an ihm war Nestor nur eine halbe Portion. Andererseits war Gore unbewaffnet und, was noch wichtiger war, er trug kein Ei in sich. Vielleicht vermochte Nestor ihn mit Worten zu bezwingen. Immerhin waren Vampire nicht nur zählebig, sondern auch verschlagen und hinterhältig.
    Als das Schweigen unerträglich wurde und es schien, dass Gore gleich aufstehen, die Tafel umrunden und sich um Nestor kümmern werde, um seinen Anspruch geltend zu machen, da endlich erhob Nestor die Stimme. Noch immer ging etwas Fremdartiges in ihm vor. Vampire mochten zwar zäh und voller Heimtücke sein, doch unter Umständen wie diesen reagierten sie oft unvermittelt und streitlustig.
    »Es verhält sich alles so, wie Wran es geschildert hat«, begann er mit einer tiefen, dunklen Stimme, die jeden in ihren Bann schlug, »aber auch so, wie du es dir vorstellst, Gore Saugersknecht. Ich war unterwegs nach Starside, zur letzten Felsenburg, um ein Lord zu werden. Allerdings war ich der Ansicht, dass ich bereits Wamphyri war beziehungsweise gewesen war – und es nur vergessen hatte oder vielmehr meines Erbes beraubt worden war. Nun, dieser Meinung bin ich noch immer, selbst in diesem Augenblick! Es war, als ob alles in mir danach schrie, Wamphyri zu sein! Das vertraute ich Wran dem Rasenden an. Und ich stehe in seiner Schuld, gewiss, denn auf seine Art hat er mir ... ins Gedächtnis gerufen, wie manches sich verhält. Du magst es also drehen und wenden, wie du willst, die Tatsache bleibt bestehen, dass ich nun Wamphyri bin! Und ich warne dich, Gore: Sei mein Knecht und lebe oder ...«
    »Oder was?« Gore war aufgesprungen. »Ich und dein Knecht werden?!« Er war aschgrau im Gesicht und platzte bald vor Zorn und Gier. Gier nach Nestors Blut, seinem Ei und seinem Leben, nach allen dreien zugleich. Gierig leckte er sich über die Lippen, ballte die Hände an den Seiten zu Fäusten, sodass sie wie Keulen wirkten, und schob den Kopf drohend nach vorn. Einen Moment lang quollen ihm die Augen über, ragten wie gelbe Pflaumen aus seinem Gesicht. Dann ...
    ... setzte er sich in Bewegung! Doch er machte sich nicht erst die Mühe, den Tisch zu umrunden. Gore Saugersknecht nahm den kürzesten Weg und sprang einfach quer über die Tafel!
    Große und kleine Teller und Platten flogen durch die Luft, Weinkrüge wurden beiseite geschleudert, als der Leutnant mit einem Satz auf dem Tisch landete, einen Ausfallschritt machte und sich duckte, um vorwärts zu

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