Totenbeschwörung
von Salpeter überzogenen Wände. »Da unten riecht es übel, mein Lord. Nach allem, was man so hört, ist es die reinste Hundehütte. Bist du sicher, dass du dir das antun willst?«
Abermals erscholl weit unter ihnen, wie auf ein Stichwort, das Geheul der unsichtbaren Kreatur, und ein schier unbeschreiblicher Gestank nach Kot und Urin wehte aus der Düsternis zu ihnen herauf, die Ausdünstungen aus der Höhle eines wilden Tieres. Noch einmal wandte Grig sich an Nestor. »Mein Lord?«
»Dieses Geheul ... stammt nicht von einem Menschen.«
Grig schüttelte den Kopf. »Nein, mein Lord! Canker Canisohn erschafft sich Kreaturen nach seinem Bild.«
Nestor zuckte die Achseln. »Wie dem auch sei, ich habe es ihm versprochen, und mein Wort gilt. Außerdem wird Canker einen mächtigen Verbündeten abgeben. Na ja, etwas in der Art zumindest.« Er begann die tief ausgetretenen Stufen hinabzusteigen. »Warte auf mich, und wenn ich zurückkehre, meldest du dich, wenn ich nach dir rufe.«
»Jawohl, mein Lord!«
Damit setzte Nestor seinen Weg hinab in die Räudenstatt fort ...
Die Wendeltreppe führte immer weiter in die Tiefe. Vorsichtig setzte Nestor einen Fuß vor den anderen. Seine Verwandlung in einen Wamphyri war nun so weit fortgeschritten, dass er beinahe so gut sah wie am helllichten Tag. Das Geheul war verstummt, doch Nestor konnte die Anspannung, die in der Luft lag, geradezu spüren. Ohne sich überhaupt im Klaren darüber zu sein, was er da tat, ließ er seine Vampirsinne schweifen und erkundete das untere Ende des Schachtes. Da unten lauerte etwas. Es hielt sich jedoch im Verborgenen und war nun leise.
Ich bin Lord Nestor, wandte er sich in Gedanken an das Wesen. Dein Herr, Canker Canisohn, hat mich darum gebeten, ihn aufzusuchen. Wer immer mir ein Leid zufügt, ist des Todes! Wenn ich ihn nicht umbringe, dann gewiss Canker!
Ein Schnüffeln hallte zu ihm empor. Das war aber auch schon alles.
Als Nestor den Fuß der Treppe erreichte, packte ihn das blanke Entsetzen. Zu seiner Linken führte eine natürliche Höhle in absolute Dunkelheit. Einen Wimpernschlag lang leuchteten groß, gelb und bösartig die Augen eines Tieres darin auf. Dann waren sie verschwunden. Doch das war nicht der Grund für Nestors Besorgnis. Dies war vielmehr der Misthaufen, der sich in einer weiteren, kleineren Höhle zu seiner Rechten befand.
Der übel riechende Kot eines riesigen Tieres, wahrscheinlich des Wesens mit den gelben Augen, war zu ineinander gesunkenen Haufen getürmt, aus denen gedrungene, kränklich weiße Pilze wuchsen. Urin sickerte dazwischen hervor und bildete ekelhaft grüne Pfützen. Nestor stand auf einem schmalen, leicht erhöhten, noch unbesudelten Pfad, der zwischen dem unsichtbaren Wächter und seinen abscheuerregenden Hinterlassenschaften hindurchführte. Wenn so Cankers Räudenstatt aussah, trug sie ihren Namen zu Recht!
Nestor hielt den Atem an und folgte dem Gang bis zu einer Stelle, an der eine Reihe winziger runder Fenster von Westen her ein wenig graues Licht und auch den Wind einließen, der durch jede Öffnung in einer anderen Tonlage pfiff und den Gestank der Jauchegrube mit sich nahm. Gut möglich, dass Canker hieraus die Inspiration zu seinem Instrument bezogen hatte. Als Nestor die Fenster hinter sich ließ und die Melodie allmählich verhallte, beschrieb der Weg vor ihm eine Kehre von der Außenwand weg nach innen, hinein in den Fels, der die eigentliche Feste ausmachte, und in dem Gang wurde es wieder dunkel.
Nestor ging schneller und ertappte sich dabei, wie er dem Klang seiner eigenen Schritte lauschte, die von dem ausgetretenen Stein widerhallten. Doch als er unvermittelt stehen blieb, um Atem zu schöpfen, wurde ihm klar, dass da noch etwas anderes war. Denn von irgendwoher, nicht allzu weit hinter ihm, erscholl ein leises, gleichmäßiges und dennoch merkwürdig unregelmäßiges Tappen, und er hörte das Hecheln eines dahintrabenden Fuchses oder Wolfes ... Beides verstummte nur einen Sekundenbruchteil, nachdem Nestor angehalten hatte.
Es gab zwei Möglichkeiten! Entweder wurde er verfolgt und etwas betrachtete ihn bereits als Beute, oder aber er hatte einen übervorsichtigen Aufpasser. Er blickte zurück und sah den Gang im Zwielicht hinter der Biegung verschwinden. Von den Wänden ging ein düsterer, phosphoreszierender Glanz aus, und wo die Dunkelheit am tiefsten war, etwas unterhalb der Hüfthöhe eines ausgewachsenen Mannes, leuchtete ihm ein gelbes Augenpaar entgegen. Der Hüter von
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