Totenbeschwörung
die einzigen weiteren Passagiere an Bord der kleinen militärischen Aufklärungsmaschine, sich selbst überlassen. Für Trask stellte das kein Problem dar. Er folgte Tzonovs Beispiel und schlief ein Stündchen. Goodly dagegen blieb nichts anderes übrig, als seine hellseherischen Fähigkeiten, so weit er es wagte, in die unmittelbare Zukunft zu richten. Unterdessen warfen vorn in der Pilotenkanzel der Pilot und der Copilot in ihren uneleganten, schlecht sitzenden Heeresflieger-Overalls hin und wieder einen Blick nach hinten, nickten Goodly zu und lächelten ihn ausdruckslos, mit aufgesetzter Freundlichkeit, an.
Doch als der Helikopter sich nun in die Schlucht von Perchorsk hinabsenkte und Goodly Trask wachrüttelte, kam auch in Turkur Tzonov wieder Leben, und schon nach wenigen Sekunden saß er kerzengerade da, ohne auch nur zu gähnen. Zu dritt spähten sie angestrengt durch die Panorama-Plexiglasverkleidung der Kabinenwand und des Bodens hinab in die Tiefe des Abgrunds und sahen zu, wie die schiefergrauen Hänge und gezackten Felsen ringsum dem schwindenden Licht einer bitterkalten Ural-Nacht entgegenschwebten.
Auf dem Pass unter ihnen flammten Schweinwerfer auf. Ein Kreis gelber Blinklichter, die im Uhrzeigersinn auf der betonierten Krone einer Staumauer reihum an- und ausgingen, markierte den Landeplatz für den Helikopter. Suchscheinwerfer erfassten den Senkflug des Hubschraubers und spiegelten sich als silbernes Geflecht auf der Oberfläche eines ansonsten unbewegt ruhenden Sees. Die eisbedeckten Felshänge warfen das Bild zurück, das sich funkelnd im gefrierenden Sprühnebel vierer glänzender, aus gewaltigen Wasserfontänen gebildeter Bögen brach, die aus Rohröffnungen im unteren Teil der Staumauer hervorschossen.
Trask und Goodly hielten jeder schützend die Hand vor die Augen. Die beiden warfen sich einen Blick zu und dachten so ziemlich dasselbe – dass es hier viel zu viele Scheinwerfer gab, ein geradezu umwerfendes Blendwerk! Wahrscheinlich war irgendjemand der Ansicht, man sollte sie nicht zu viel mitbekommen lassen. Dabei handelte es sich bestenfalls um ein nutzloses Tarnmanöver. Seit nahezu zwanzig Jahren waren amerikanische Spionagesatelliten nun dabei, die Schlucht von Perchorsk in allen Einzelheiten zu vermessen. Es war unmöglich, eine derart riesige Anlage vor elektronischen Linsen zu verbergen, die in der Lage waren, von ihrer Umlaufbahn in hundertsechzig Kilometern Höhe aus die Schlagzeile einer Zeitung zu erkennen! Und überhaupt, was gab es hier schon zu verbergen? Nichts, jedenfalls nicht mehr. Allenfalls einen potentiellen Ansteckungsherd wahrhaft gigantischen Ausmaßes, den die Russen allerdings rundum unter Kontrolle hatten. Oder vielleicht nicht? Bisher war man immer davon ausgegangen, dass sie Herr der Lage seien ...
Das Perchorsk-Projekt war eine »Verteidigungsanlage«, allerdings eine, die sich von Anfang an als Fehlschlag erwiesen hatte. Ursprünglich sollte es die Antwort der UdSSR auf das amerikanische SDI- oder Star-Wars-Programm bedeuten. Das Ziel war, in dreißig bis vierzig Kilometern Höhe eine undurchdringliche Kuppel alles vernichtender Energie zu errichten, um restlos jede womöglich ankommende feindliche Rakete zu eliminieren. Einen Schirm, sodass niemand auf der ganzen weiten Welt je wieder damit drohen konnte, Mütterchen Russland in die Suppe zu spucken. Sobald diese Vorrichtung sich in einer ausgiebigen Testreihe bewährt haben würde, hätte sie allein genügt, die UdSSR an die unangreifbare Spitzenposition als Supermacht Nummer Eins des Planeten zu katapultieren.
Darum war es in Perchorsk gegangen ... bis der katastrophale Misserfolg nicht nur die Sowjetunion, sondern die gesamte Menschheit in Gefahr gebracht hatte. Während Trask allmählich zu sich kam, kehrte die Erinnerung an das, was er über die ganze verzwickte Angelegenheit wusste, zurück.
Damals, in den frühen achtziger Jahren, hatten die Russen die Anlage gebaut und einem Test unterzogen – nur ein einziges Mal, doch er endete in einem Desaster. Trotz allergrößter Anstrengungen, das Ganze elektronisch zu verschleiern, wurden die Ergebnisse dieses Testlaufs sowohl von amerikanischen Spionagesatelliten als auch von befreundeten Mächten zu Lande empfangen und aufgezeichnet. Und nachdem alle Berichte ausgewertet waren ...
Obwohl niemand genau wusste, was in den Tiefen der Schlucht von Perchorsk eigentlich vor sich ging, hatte dies den USA zu jener Zeit als Anstoß genügt, ihr SDI-Programm
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