Totenbeschwörung
hübscher Lord Nestor. Aber ich bin sicher, wir sehen uns irgendwann wieder.
Er schoss über den abschüssigen Rand des letzten Felsenturmes hinaus und befahl seiner Bestie, ihn nach Hause zu tragen. Dort hatte er seine eigenen Frauen, einen ganzen Harem voll. Wozu brauchte er schon Wratha die Auferstandene? Andererseits ... war das Verlangen der Wamphyri unstillbar, und Wratha stand vor seinem geistigen Auge wie ein sonderbar düsterer Juwel. Keine seiner Sklavinnen hielt dem Vergleich mit ihr stand! Als er sie im Arm gehalten hatte, hatte er eine grenzenlose Verlockung empfunden, und ihm war klar, dass ihre Leidenschaft der seinen ebenbürtig war.
Nestor hielt diese Gedanken verborgen, so gut er konnte, aber womöglich nicht gut genug. Denn als sein Flieger jenseits der Kante verschwand, hörte er in seinen Gedanken abermals Wrathas glockenhelles Lachen. In seiner Hand spürte er noch immer seidenweich ihre Brüste und ihr Kuss brannte auf seinen Lippen.
In der Saugspitze erwartete Zahar die Rückkehr seines Herrn. Als Nestor seinen Flieger in der gewaltigen, verwitterten Höhle zum Stehen brachte, die ihm als persönliche Landebucht diente, war sein erster Leutnant zur Stelle, um ihm die Zügel abzunehmen und das widerstrebende Tier in seinen Pferch zu bringen. Nestor sah dem Mann an, dass er ihm etwas sagen wollte. Deshalb wartete er, bis der Flugrochen versorgt war.
»Mein Lord«, begann Zahar, als er zu Nestor trat und ihn in die eigentliche Saugspitze und in seine Gemächer begleitete, »es gibt da ein Problem ...«
»Oh? Und was für eins?« Auf der weit geschwungenen Steintreppe wandte Nestor sich um und sah seinen Leutnant eindringlich an. Zahars wilder Blick verhieß nichts Gutes. »Heraus damit, Zahar!«
»Es handelt sich um ... die Lady Carmen, mein Lord.«
Nestor zuckte zusammen. »Die Lady Car...?« Er hielt inne, ohne den Namen zu Ende zu sprechen. Doch er wusste sehr wohl, was Zahar meinte. »Carmen«, sagte er schließlich. »Nun, und was ist mit ihr?« Abermals kannte er die Antwort, noch ehe Zahar sie aussprach.
»Wir haben Sonnauf, mein Lord. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sie sich von ihrer Bank erheben wird, solange die Sonne am Himmel steht. Doch sobald sie untergeht und die letzten Strahlen sich an den Felsen des Grenzgebirges brechen, wenn die Schatten sich über die Geröllebene bis zu den Eislanden hin ausdehnen, dann ...«
»... werden wir eine Lady in unserer Stätte haben«, beendete Nestor den Satz für ihn. Er nickte bedächtig. »Und im Moment? Wie steht es um sie?«
»Wie es um sie steht?« Zahar hob eine Augenbraue. »Sie ist tot, mein Lord. Oder vielmehr untot, wie wir zu sagen pflegen. Sie schläft ihren Schlaf. Danach – möglicherweise sogar erst eine ganze Weile, nachdem sie aufgewacht ist – wird ihre Verwandlung einsetzen, ungefähr so wie du es im Moment durchmachst. Dann wird sie wahrhaft eine Lady sein und Herrin der Saugspitze.«
»Auf wessen Geheiß?«, fuhr Nestor ihn an.
»Nun ja, auf deines, mein Lord! Es kann ja wohl niemand leugnen, dass du sie geschaffen hast. Außerdem wird sie eine Wamphyri sein.«
Nestor kratzte sich hinter dem Ohr. »Ich hatte sie ganz vergessen. Das heißt, ich wollte nicht an sie denken. Es schien mir ziemlich grausam, so mit ihr umzuspringen – erst so weit zu gehen, dass sie zu einer Untoten wird, und sie anschließend zu vernichten.«
»Was geschehen ist, ist geschehen, mein Lord, und niemand kann es rückgängig machen. Aber vielleicht siehst du die Dinge jetzt in einem anderen Licht?«
Nestor fasste einen Entschluss. »Ich kann keine Lady in meiner Stätte dulden«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Meine Frauen ja, aber keine Lady! Sie kommt in die Vorratskammer! Sieh zu, dass sie dahin geschafft wird!«
Er machte Anstalten, sich abzuwenden, doch Zahar entgegnete ihm: »In die Vorratskammer, mein Lord?«
»Wieso? Ist etwas nicht in Ordnung damit?«
»Davon solltest du Abstand nehmen, mein Lord! Immerhin ist sie eine Wamphyri. Wenn deine Sklaven von ihr essen, könnte es ... Probleme geben.«
»Drehe sie durch den Wolf, du Narr!«, knurrte Nestor, während das sich entwickelnde, jedoch noch unerfahrene Wesen in ihm einander widersprechende Botschaften aussandte. »Geh auf Nummer sicher und mahle sie so klein, dass sie nicht mehr in der Lage ist, auch nur irgendetwas zu infizieren!«
»Aber genau das wird sie, mein Lord«, erwiderte Zahar ruhig. Seine Miene war düster. »Die Szgany
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