Totenblick: Thriller (German Edition)
waren. »Wenn etwas sein sollte, meine Nummer und die des SEK-Führers haben Sie«, schloss sie die Versammlung. »Nicht mehr lange, und wir haben den krankesten Serientäter Leipzigs geschnappt, meine Damen und Herren. Nein, den krankesten Deutschlands!« Sie klatschte.
Die SoKo fiel in ihren motivierenden Applaus ein, der fast eine halbe Minute anhielt, bevor die Ersten aufbrachen und sich auf Lauerposten begaben.
Bernanke spürte den Optimismus, der sich in ihrem Team ausbreitete. Der Täter hatte angebissen, und es gab endlich Konkretes.
Dazu kam, dass der Fluch des Totenblicks nicht mehr zugeschlagen hatte. Die Jagd auf den Fälscher schien den Bildermörder mehr zu fesseln, als Polizisten und SpuSis umzubringen.
Bernanke setzte sich neben ihren Computerexperten. »Was Neues, Ingo?«
»Ja. Die Mail kam eben rein.« Marsching klickte auf den Posteingang. »Unser Täter hat soeben versprochen, dass er dem Fälscher nicht die Ehre erweisen wird, ihn in ein Kunstwerk einzubauen. Er will an ihm ein Exempel statuieren, von dem Leipzig noch lange sprechen wird. Keiner solle es danach wagen, ihn imitieren zu wollen.«
Bernanke las die Botschaft zweimal, aber es fanden sich keine eindeutigen Signale, dass heute schon der Tag sein sollte. »Er wird heiß. Gut! Schicken Sie es gleich weiter an unsere Psychos.«
Die Frage nach der IP-Adresse und dem Standort des Absenders stellte sie erst gar nicht. Ihr Täter war schlau genug, irgendeinen Faker zu benutzen. Die übermittelten Daten waren untauglich, und für jede Antwort richtete er sogar einen eigenen Account aus einem anonymen Internetcafé auf einem kostenlosen Mail-Server ein, der danach gleich wieder verschwand.
Das war der Fluch des Internets.
Die grausamen, perversen Bilder von der Website mit den Bildermorden waren hunderttausendfach kopiert worden und geisterten jetzt auf Servern herum. Unlöschbar für alle Zeiten. Der Verrückte hatte sich zumindest ein Denkmal im Netz gesetzt, was schon widerlich genug war.
Sie mussten ihn erwischen! Tot oder lebendig.
Frida Bernanke verließ den Besprechungsraum und ging in die Kantine, um noch zwei belegte Brötchen abzugreifen. Sie waren besser als die nassweichen Sandwiches aus der Packung, die es an Tankstellen und im Supermarkt zu kaufen gab.
Danach machte sie sich auf den Weg in ein Café, um einen letzten guten Cappuccino zu trinken und sich eine kurze Auszeit zu gönnen, bevor sie in vier Stunden die Kollegen ablöste.
Beim Verlassen des Gebäudes sah sie Lackmann und zwei Streifenbeamten zusammenstehen. Der Kommissar hatte die Arme vor der Brust verschränkt und hörte mit abweisendem Gesicht zu, während einer der Uniformierten gestikulierend berichtete.
Bernanke vermutete, dass es um die Besprechung ging.
Lackmann und Rhode würden die Falle nicht gutheißen. Sie hielt sich zurück, weil sie am liebsten zu ihm gegangen wäre, um ihm zu erklären, wie erfolgreiche Polizeiarbeit aussah.
Aber sie unterließ es und ging hinaus auf den Parkplatz.
Den Triumph würde sie auskosten. Ohne lauten Jubel, doch mit tiefer innerlicher Freude. Sicherlich empfand sie Mitleid, weil es Rhode psychisch so stark belastet hatte, an dem Fall zu arbeiten, aber dafür war er nun mal in einer SoKo.
Augen auf bei der Berufswahl, dachte sie.
Die blonde Frau stieg in ihren roten Alfa Romeo Giulia und fuhr in Richtung Innenstadt. Jede Minute konnte der entscheidende Anruf kommen, dass ihr Mörder zuschlagen wollte.
Bernanke freute sich darauf wie ein kleines Kind auf die Bescherung.
***
Leipzig, Zentrum-Ost, 10. Dezember
»Hier Auge elf. Auge eins, bitte kommen.«
Frida Bernanke vernahm den Ruf und wartete mit ihrer Antwort. Sie saß zusammen mit einem Kollegen im Haus schräg gegenüber und sah auf den Monitor des Computers, zu dem die Webcams unter anderem ihre Bilder sandten.
Insgesamt gab es vier Empfangsgeräte, auf denen die Teams das gesamte Innenleben des zu sanierenden Gebäudes in der Büttnerstraße überblickten. Die Seiten des Hauses waren mit Gerüsten sowie grünen Folien und Schutznetzen versehen, die über die Gestänge gezogen waren. Sie sollten umherfliegenden Dreck abhalten und bildeten zugleich eine ausreichende Abschirmung vor aufdringlichen Blicken. »Auge eins hört, kommen.«
Es war dunkel und regnete leicht, somit alles andere als adventlich.
Die meisten Leipziger hatten es vorgezogen, zu Hause zu bleiben; die Märkte fuhren gerade herbe Verluste ein. Das machte es für die Observierung
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