Totenblick: Thriller (German Edition)
und so warteten sie, berieten sich und landeten doch immer bei der Erkenntnis, nichts ausrichten zu können.
Nur warten.
Das machte Rhode wahnsinnig, zumal er seit Tagen keine Anti-ADHS-Pillen geschluckt hatte. Er spielte unentwegt Double Base, mal leise, mal lauter, hatte sich auch schon die Fingernägel blutig gekratzt und wurde zunehmend aggressiver und wütender.
Man hatte ihnen Wasserflaschen neben die Beine gestellt, aus denen man mit viel Geschick trinken konnte, wenn man sich gegenseitig mit gefesselten Händen half. Also hatte der Mörder noch etwas mit ihnen vor.
»Ich wollte nicht, dass es beschissener wird, als es schon ist«, gab Rhode gereizt zurück; er ging davon aus, dass sie abgehört wurden und der Bildermörder vor Selbstgefälligkeit im Kreis tanzte.
»Kann es das?«, erwiderte Ignatius grollend. »Ich reiße dem Arschloch den Kopf ab, wenn es sich reintraut!«
Rhode musste wirklich urinieren. Er wollte seine Würde behalten und sich nicht in die Hose pissen. »Dann muss ich hoffen, dass es bald so etwas wie eine Pinkelpause gibt«, grollte er und trommelte mit den Schuhsohlen gegen den Boden. Es half nur bedingt gegen den Harndrang.
Immerhin hatte er von Ignatius erfahren, dass Bernankes Plan schiefgegangen war. Ihr Verrückter hatte die Falle erkannt und war einmal mehr sehr clever vorgegangen. Der SEK-Mann hatte als Lockvogel für den Bildermörder gedient und war beim Ausbruch des Brandes aus seinem Versteck gekommen, um bei der Evakuierung der Jugendlichen zu helfen. Da bekam er einen Stromschlag und erinnerte sich von da ab an nichts mehr.
»Ich glaube, der Schnitt hat sich entzündet«, murmelte Richter in der Schwärze. »Es tut weh. Hoffentlich keine Blutvergiftung!«
Er und Rhode waren auf der Rückfahrt mit Sterz an Bord von einem schwarzen Pick-up abgedrängt worden. Der Funk war plötzlich gestört, es hatte keine Möglichkeit gegeben, die Zentrale zu erreichen und einen Hilferuf abzusetzen. Der Streifenwagen war nach einem wilden Ritt durchs Unterholz in einem Feld zum Stehen gekommen, doch bevor einer von ihnen alle Sinne beieinander hatte, kam der Elektroschock-Blitz. Richter hatte sich einen Schnitt am Oberarm zugezogen, den ihr Entführer nicht behandelt hatte.
Danach fanden sich alle drei im Keller wieder.
Da sie von Sterz nichts hörten, lag er entweder tot bei ihnen, oder der Mörder hatte ihn an einen anderen Ort gebracht.
Es rumpelte, dann wurde eine Tür geöffnet. Grelles Scheinwerferlicht flutete ihren Verschlag.
Geblendet sah Rhode auf das helle Rechteck, in dem sich der schiefe Umriss eines Menschen abzeichnete. Er hielt ein Tablett in der Hand, darauf lagen drei aufgezogene Spritzen.
»Einen schönen guten Tag«, flüsterte der Mörder und näherte sich leicht humpelnd. »Ich begrüße Sie in meinem Refugium.«
Ignatius riss an seinen Fesseln. Rhode sah den SEKler jetzt zum ersten Mal, und er war sehr trainiert. Vermutlich würde er den Wahnsinnigen dank seines Trainings innerhalb von Sekunden ausschalten. Aber solange die Hände am Stahlrohr hingen … »Mach mich los, und ich reiße dich in Fetzen!«
Ihr Entführer lachte leise. »Warum sollte ich das? Ich habe noch einiges vor, und dazu muss ich intakt sein.« Er stellte das Tablett auf dem gestampften Boden ab, nahm die erste Spritze. Die Kanüle blinkte auf.
Durch das Gegenlicht konnte man sein Gesicht nach wie vor nicht erkennen. Wenn Rhode sich nicht täuschte, trug ihr Killer seine Maske nicht. Er wusste, was das bedeutete. »Was haben Sie vor?« Er nickte zu den Spritzen. »Dieses Mal nicht der Fluch des Totenblicks?«
Der Mörder ging in die Hocke. »Ich kombiniere, Herr Rhode. Sie haben herausgefunden, wo ich meine Botschaften an die Polizei hinterlasse.«
»Die Optogramme.«
»Ganz genau! Es hat sehr lange gedauert, das muss ich zu meiner Enttäuschung sagen. Aber Sie drei werden die nächsten Botschaften zu Ihren Kollegen tragen, und dieses Mal bin ich guter Dinge, dass sie schnell entschlüsselt werden. Dazu habe ich mir ein neues Kunstwerk ausgedacht, das meine Verärgerung gegenüber der Polizei zum Ausdruck bringt. Mich reinlegen zu wollen – lachhaft. Es wird kein Bild in dem Sinne sein, aber … es ist großartig. Und es endet mit einem Knalleffekt. Ich bringe damit göttliche Wut zum Ausdruck. Ein Spektakel, von dem sich dieser arrogante Polizeiapparat nicht so schnell erholen wird.« Er lachte. »Herr Rhode, ich wünschte, Sie könnten die Bestrafung sehen, die ich mir
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