Totenblick: Thriller (German Edition)
gehörte.
Sicher, eine Aufklärungsquote von 95Prozent bei Morden behauptete etwas anderes, aber die meisten Morde wurden von dummen Menschen begangen. So lautete zumindest seine Theorie.
Das hieß beispielsweise für das Jahr 2011: 889 bundesweite Morde, bei knapp 45 davon konnte kein Täter ermittelt werden.
45 schlaue Mörder.
Oder einer, der alle 45 Morde begangen hatte. Ihr Täter befand sich auf dem besten Weg dahin.
Plötzlich erblickte er Sterz’ Konterfei im Mülleimer: Es war ebenso einfach, einen Fehler zu begehen und schneller geschnappt zu werden, als man dachte. Und Sterz war dumm.
Eine Suchmeldung war an die Streifenbeamten rausgegangen; sie sollten nach den drei Verschwundenen Ausschau halten.
Aber das genügte dem Kommissar nicht.
Er hatte mit Anke Schwedt eine sehr nette Kollegin verloren, und das wollte er nicht noch einmal erleben.
Das bedeutete: Er musste den Bildermörder finden.
Im ersten Moment kam er sich albern vor. Im ganzen Gebäude arbeiteten inzwischen hundert Männer und Frauen daran, den Wahnsinnigen zu fangen, und ein bekennender Alki wollte das Wunder vollbringen.
Warum nicht?, dachte er entschlossen.
Er ging zum Aktenschrank neben der Tür und öffnete ihn, nahm die Ordner heraus, in denen er die Ermittlungsergebnisse über den Bildermörder aufbewahrt hatte. Als Kopie. Auf seinem Rechner gab es noch mehr Daten. Solange man ihm keine neuen Aufgaben übertrug, würde er sich auf eigene Faust um den Verrückten kümmern und jeden Tatort nochmals absuchen.
Außerdem gab es eine Spur, der seines Erachtens niemand intensiv nachgegangen war: die beiden Schwarzgekleideten, die von Kurti mehrmals in der Halle des Kleopatra-Mordes gesehen worden waren.
Durch die Konzentration auf eine Person, nicht zuletzt durch die Aussage von Konstantin Korff, hatte man an einen Zufall geglaubt. Die Ermittler des LKA verfolgten diesen Hinweis nicht weiter, soweit er wusste.
Lackmann vermutete in den beiden Personen die Helfer des Mörders.
Sie könnten von ihm eingesetzt werden, um erste Vorkehrungen für die Inszenierungen zu treffen, etwa die Orte grob herzurichten und instand zu setzen, bevor er mit seinen Installationen begann.
Lackmann hatte vor seinem Rausschmiss aus der SoKo Bildermorde begonnen, eine Übersicht aller Webcams an öffentlichen Orten in Leipzig anzulegen, von den Plätzen bis zu den Trambahnen der LVB. Eine langwierige und längst nicht abgeschlossene Arbeit.
Doch vielleicht brauchte er bei seiner momentanen Suche nur wenige Kameras.
Er suchte die Tramlinien heraus, die in der Nähe der Halle vorbeifuhren, in der sie Aileen McDuncan gefunden hatten. Danach fragte er bei den LVB nach den Überwachungsaufnahmen von den fraglichen Tagen an. Mit etwas Glück waren die Daten vielleicht noch nicht gelöscht oder überspielt.
Lackmann nahm einen Schluck Wodka und fühlte frische Energie in seinen Adern. Das waren natürlich die Auswirkungen des Alkohols. Momentan verbrauchte er anderthalb Flaschen am Tag, und es ging in Richtung zwei. Egal. Hauptsache, seine Konzentration blieb erhalten.
Er dachte an den Hausbesuch und das entsetzte Gesicht von Frau Rhode, als er ihr die Neuigkeit brachte, dass ihr Mann verschwunden war und unter welchen Umständen. Was es bedeuten konnte, wusste sie selbst.
Dann nahm er sich die Tatortaufnahmen von Marat und Kleopatra vor.
Beim Blick auf die Leichen der jungen Leute schwor er sich, dass er nicht an den Ort gehen würde, an dem man Rhode unter Umständen als Teil eines neuen Totengemäldes auffinden würde.
Erstens wollte er seinen Kollegen nicht ermordet sehen, zweitens dem Totenblick nicht anheimfallen.
Lackmann war fest entschlossen, den Mörder zu schnappen. Als eigene SoKo.
Kurzerhand brach er Rhodes Schreibtisch auf, um an dessen Aufzeichnungen über den abgegebenen Fall zu gelangen. Sicherlich hatte der Hauptkommissar noch mehr notiert.
***
Leipzig …
»Hallo? Ich müsste aufs Klo.« Peter Rhode saß zusammen mit Gerhard Richter, dem Beamten, der ihn bei der Überführung von Gunther Sterz begleitet hatte, sowie Uwe Ignatius, einem SEK-Mann, in einem stockdunklen Keller. Das erkannten sie am charakteristischen sandig-feuchten Geruch. Vermutlich gehörte er zu einem Altbau, nahe an einem Kanal oder im Auwald errichtet. »Dringend.«
»Einfach laufen lassen«, antwortete Richter aus der Finsternis. »Es wird niemand kommen.«
Man hatte sie auf den Boden gesetzt und mit Handschellen an ein massives Stahlrohr gefesselt;
Weitere Kostenlose Bücher