Totenblick: Thriller (German Edition)
Einer war Korff, begleitet von einem deutlich jüngeren. Beide waren schwarz gekleidet, in Stoffhosen, Poloshirts und Sportsakkos. Elegant und doch nicht zu steif.
Der braunhaarige Bestatter grüßte zur Garage hoch, Rhode hob andeutend den Arm. Hatte der Mann nicht gesagt, er fürchte sich nicht vor dem Tod und sei immun? »Wir können ihn das nächste Mal zuerst hinschicken«, sagte er halblaut.
»Ihn? Korff?«
»Er sagte, als Bestatter könnte er mit dem Tod umgehen. Oder so ähnlich.« Rhode fuhr sich durch die nassen Haare und streifte das letzte Wasser heraus. Zur Unruhe kam, dass er auskühlte. Der Regen hatte ihn durchweicht.
Schwedt konnte mit seinem Kommentar nichts anfangen und blieb stumm, suchte die Schlüssel ihres weißen Honda in der Tasche. »Darf ich fahren? Ich muss mir nicht ansehen, wie sie Weißenberg im Zinksarg an mir vorbeitragen. Sehen wir uns später?«
Rhode hätte gerne eine Spur gehabt. Irgendwas. »Ja«, entgegnete er schleppend, und weil ihm nichts Besseres einfiel: »Wir gehen nochmals die Bilder und die Lebensläufe der Opfer durch. Möglicherweise haben wir etwas übersehen, was im Auge des Betrachters liegt.«
»Mal wieder.« Sie stapfte hinaus in den Schauer, verzichtete darauf, die Jacke als Dach zu benutzen. Schwedt eilte zu ihrem Wagen, stieg ein und fuhr davon.
Der Hauptkommissar tippelte auf der Stelle, weil er nicht mehr länger still stehen konnte, und sah zum Pavillon. Er konnte spüren, wie die Unkonzentriertheit und die multiplen Eindrücke und Gedanken auf ihn einstürzten. Härtete er allmählich gegen die ADHS-Medikamente ab?
Stumm grübelnd verfolgte er die Geschehnisse.
Korff und sein Angestellter verließen das Zelt, gingen zum Leichenwagen, kamen mit einem flachen Transportsarg zurück, verschwanden unter dem Planendach und brachten die Leiche nach einigen Minuten zum Auto. Der Teamleiter der SpuSi verschwand im Laderaum. Gut gekühlt, bei drei Grad.
Rhode schnalzte mit der Zunge. Warum war er nicht gleich daraufgekommen?
Er würde die Anweisung herausgeben, dass niemand der nächsten Leiche in die Augen sah, sondern ihr zuerst die Lider schloss. Damit war der Totenblick entschärft, und der wahnsinnige Killer bekam keine Arbeit.
Er fühlte sich an die griechische Mythologie erinnert. Medusa. Ein Blick auf ihr Schlangenhaupt, in ihre Augen war letal.
Rhode verließ die Garage, während die SpuSis ihre Koffer zum Wagen schleppten und das Zelt abbauten. Sie bewegten sich langsam. Der Schock saß bei ihnen nicht weniger tief.
Wie der Mörder auf die veränderte Vorgehensweise reagieren wird?, fragte er sich und gab sich selbst die Antwort: vermutlich gar nicht.
Womöglich war er sogar froh, die Ermittler nicht mehr jagen zu müssen, und konnte sich vollends auf seine Morde konzentrieren.
Oder würde es Ansporn sein, noch mehr Bildermorde zu begehen, weil sie seinen Totenblick-Fluch ausgetrickst hatten?
Traten sie damit Schlimmeres los?
Gab es Schlimmeres als tote Kollegen?
Tote Kinder, huschte eine widerliche Vision durch seinen Verstand.
Er hatte seinen Passat erreicht und schwang sich auf den Fahrersitz. Es quietschte leise, tröpfelnd rann Wasser aus seiner Kleidung, lief in den Sitz und in den Fußraum.
Innerlich machte Rhode sich einen Vermerk, der Vollständigkeit halber nach Gemälden zu suchen, auf denen ein Massensterben festgehalten war. Er wollte mental vorbereitet sein, sollten der oder die Täter größenwahnsinnig werden.
Das Anliegen seines Freundes Ares hatte er vollkommen vergessen.
***
Leipzig, Südleipzig, 24. November
Die erste offizielle Pressekonferenz wegen Robin Adler begann mit einem Schönheitsfehler, den Peter Rhode nicht hautnah miterlebte, weil er sich die Bilder von den Morden und den Originalen Millimeter für Millimeter anschaute, um endlich die Hinweise zu entdecken, die ihnen der Mörder versprochen hatte. Er wollte seine Zeit nicht verschwenden.
Der Polizeipräsident hatte ihm zwischen Tür und Angel ohne langes Brimborium gesagt, dass die SoKo vorerst weitermachte, solange sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, der Medien und Wolkes auf den Festgenommenen konzentrierte.
Schwedt befand sich auf Spurensuche mit Lackmann, sie fahndeten nach Überwachungskameras in der Umgebung der Tatorte. Solche zufälligen Aufnahmen konnten den dringend benötigten Durchbruch bringen, bevor sich die Presse von Adler abwandte und ganz offen nach dem wahren Täter fragte.
Rhode hatte vergessen, dass heute Auftakt
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