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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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Luft brauchen.»
    Ehe eine der beiden Frauen noch protestieren konnte, hatte sie Julie schon zum Aufstehen bewogen und aus der Tür bugsiert. Am Gartentor wandte Julie sich nicht wie sonst nach links, wo es ins Dorf und zur Hauptstraße ging, sondern nach rechts. «Laura hat nie gern mit den anderen an der Bushaltestelle vor dem Pub gewartet, und seit Lukes Tod erst recht nicht mehr. Sie war schon immer eine Einzelgängerin, und das ist eigentlich nur noch schlimmer geworden. Darum hat sie immer die Abkürzung hier genommen und an der nächsten Haltestelle Richtung Stadt gewartet.» Sie blieb stehen, drehte sich zu Vera um. «Ich hätte sie hinfahren sollen. Aber ich war ja selbst total fertig. Ich habe das einfach nicht geschafft.»
    «Das alles ist nicht Ihre Schuld», sagte Vera langsam und eindringlich. «Nichts von dem, was passiert ist, ist Ihre Schuld.»
    Julie führte sie über einen schmalen Pfad, der an Schrebergärtenauf der einen und an der Hinterseite von Häusern auf der anderen Seite vorbeiführte, bis sie an einen Zaun mit einem Drehkreuz kamen. Vera stemmte sich auf den Zaun, blieb dort leise keuchend hocken und betrachtete die Landschaft, die sich vor ihr erstreckte. Der Weg ging an einem Feld entlang, das tags zuvor gemäht worden war, und dann an einem Wäldchen vorbei weiter bis zur Hauptstraße. Von den oberen Fenstern der Häuser in Julies Straße hätte man Laura die ganze Zeit sehen müssen. Vera beschloss, eine Haustürbefragung durchzuführen. Es war zwar reichlich unwahrscheinlich, dass jemand das Mädchen gesehen hatte, aber immerhin einen Versuch wert. Falls Laura entführt worden war, musste es genau hier passiert sein. Wenn sie einmal im Bus gesessen hätte, wäre sie bis zur Schule von anderen Jugendlichen umgeben gewesen. Vera ließ sich auf der anderen Seite vom Zaun rutschen und zog ihren Rock zurecht. Julie kam hinterher.
    «Wer weiß denn sonst noch, dass Laura diesen Weg zur Bushaltestelle nimmt?» Vera bückte sich, um ein paar Heuhalme aus ihrer Sandale zu entfernen, und gab sich Mühe, die Frage beiläufig klingen zu lassen.
    «Ich weiß es nicht. Ihre Mitschüler wahrscheinlich.»
    «Was ist mit Geoff? Oder Kath?»
    «Vielleicht hat sie mal irgendwas erwähnt. Wobei ich mir das eigentlich nicht vorstellen kann. Sie war nicht gerade gesprächig in letzter Zeit.»
    Dann war es also geplant, dachte Vera. Eigentlich hatte sie das wegen der Karte ohnehin schon gewusst, doch jetzt war sie sich sicher. Irgendwer hatte gelauert und gewartet, jede Bewegung der Familie verfolgt. Natürlich nicht von der Straße aus, das wäre zu auffällig gewesen. Aber vielleicht vom Waldrand, von wo aus man das ganze Dorfsah. Mit einem guten Feldstecher konnte man sogar in die Fenster der Häuser schauen.
    Dann dachte sie sich, dass der Mörder – oder die Mörderin – inzwischen Spaß an der Sache gefunden hatte, was immer der Grund für die erste Tat gewesen sein mochte. Es war zum Spiel geworden, zur Obsession. Zur Inszenierung. Und das bezog sich nicht nur auf die Inszenierung der Toten, sondern auch auf alles, was dem eigentlichen Mord voranging. Sie konnte nur hoffen, dass der Mörder den Spaß noch länger auskosten wollte. Und diese Erkenntnis bedeutete, dass Laura noch am Leben war.

KAPITEL SIEBENUNDDREISSIG
    Am selben Morgen, als Laura Armstrong verschwand, spazierte Felicity Calvert, nachdem sie James in den Schulbus gesetzt hatte, von der Haltestelle zurück nach Hause und versuchte, die Nachricht zu verarbeiten, dass Peter eine Affäre mit Lily Marsh gehabt hatte. Vermutlich hätte sie sich jetzt betrogen fühlen sollen. Nicht von Peter natürlich – welches Recht hatte sie schon, ihm Vorwürfe zu machen? Aber von Samuel. Felicity war überzeugt, dass Samuel von der Affäre gewusst hatte. Wahrscheinlich hatten die Männer, die an dem Abend, als James die Leiche entdeckte, zu Besuch gewesen waren, alle davon gewusst. Peter hatte doch sicherlich mit seiner Eroberung geprahlt. Es war völlig undenkbar, dass er so etwas lange für sich behielt, und Samuel vertraute er ohnehin alles an. Vielleicht war Samuel ja deshalb in letzter Zeit so merkwürdig gewesen, so nervös und angespannt.
    Peter hatte ihr gleich nach der Rückkehr vom Polizeireviervon der Sache mit Lily erzählt. Er war mit dem Taxi nach Hause gekommen und wirkte mitgenommen und äußerst dünnhäutig. James war bereits im Bett. Er hatte die Behauptung, die Polizei brauche seinen Vater als fachkundigen Zeugen,

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