Totenbraut (German Edition)
nützen, vergiss das nicht! Niemals!“
„Weinst du etwa, Jelka?“
„Nein“, murmelte sie und schniefte. „Aber du wirst gleich weinen, wenn du nicht machst, dass du wieder ins Haus kommst. Jovan wird im Morgengrauen aufbrechen, um seine Männer zu suchen. Also geh zurück ins Haus, du Wilde. Ich komme morgen Früh und kämme Belas Haar.“
Jovan brauchte nicht nach seinen Männern zu suchen. Noch bevor die Sonne hinter dem größten Berg hervorgekrochen war, als würde sie eine mit Linden bestickte Bettdecke von sich schieben, hörten wir Hufschlag. Es waren drei Reiter auf schwarzen Rössern. Sie führten ein Packpferd und drei ungesattelte Rappstuten mit. Ich beobachtete sie durch das Fenster und konnte nicht umhin, die Tiere zu bewundern. Ihre Sprünge waren groß und die Mähnen flogen bei jedem Schritt. Die Männer waren bewaffnet wie Hajduken. Sie trugen jeder einen Pojas – die breite Gürtelschärpe aus Wolle –, dunkle Hosen und Mäntel, dazu schwarze Mützen mit einem kantigen Rand. Sie hatten breite, grimmige Gesichter. In ihren Haaren hing noch das eine oder andere Blatt, das sich beim Ritt durch die Nacht darin verfangen hatte. Der älteste der drei Begleiter wirkte freundlicher als die anderen. Sein Gesicht war gerötet und er hatte einen grauen Bart. Jovan trat aus dem Haus und die beiden begrüßten sich wie Brüder, klopften sich auf die Schultern und lachten.
„Jelka!“, dröhnte die Stimme unseres Vaters von unten. „Gäste!“
Meine Schwester steckte hastig die letzte Strähne an Belas Kopf fest, nickte mir auffordernd zu und lief die Holzstiege hinunter.
„Klapperfüße und Holzgrimassen“, sagte Bela ärgerlich. „Wenn die Wölfe durch die Stube streifen, bleibt kein Platz zum Tanzen.“
Jelka hatte Belas lange, glatte Strähnen gekämmt und zu Zöpfen geflochten. Doch so schön Bela war, das Allerschönste an ihr waren die Hände. Weiß und feingliedrig, schienen sie ein Eigenleben zu haben. Sie nähten und stickten von ganz allein mit dem roten Garn, während Belas selbstvergessener Blick in die Ferne schweifte. Sie sah niemanden direkt an, auch mich nicht, aber sobald ich vor ihr stand, lächelte sie und ihre Hände umschlossen zart wie Lilienblätter mein Gesicht, strichen sanft über Wangenbögen und Brauen.
Nun nahm ich sie in die Arme und begann leise zu singen. Dabei stellte ich mir vor, wie ich sie aus dem Fenster trug, über die Berge an einen sicheren Ort.
Belas Hand flatterte an meiner Brust hinauf bis zu meiner Wange, fand meinen Mund und versuchte, meine zusammengekniffenen Lippen zu einem Lächeln zu formen. Es war dieser Moment, in dem ich beschloss, dass Jovans Sohn sie nicht bekommen sollte. Ich würde sie beschützen; wenn es sein musste, sogar vor Lazar Kosac!
„Halt still, Bela“, sagte ich entschlossen und löste die Bänder, die ihre Zöpfe hielten. „Wir wollen doch nicht, dass du wie eine Braut aussiehst.“
Meine Finger harkten durch ihr Haar, zogen und zerrten, und Bela lachte und wand sich, als sei das ein Spiel. „Ein Lied ist ein Vogel, der nur bis zum Winter lebt“, sang sie und schüttelte den Kopf, bis die Zöpfe sich lösten. „Dann töten ihn die Raben und trinken sein Blut.“
Wenn Bela sprach, ergab es keinen Sinn, doch manche Leute aus dem Dorf glaubten, dass sie Dinge sah, die allen anderen verborgen waren, und sie bekreuzigten sich ängstlich. Damals lachte ich noch über solchen Aberglauben.
In der Stube roch es nach Sattelfett und Leder. Jovan begrüßte mich mit einem Lächeln, das mich verlegen machte. Ich grüßte höflich und scheuchte meine kleinen Schwestern neben den Herd, wo Jelka schon eine Holzschüssel mit wässrigem Hirsebrei auf einen Schemel gestellt hatte. Majda streckte ihre Ärmchen nach mir aus und ich hob sie hoch und setzte sie auf meinen Schoß. Natürlich spürte ich, dass mich auch die neuen Gäste aufmerksam musterten, während ich das Kind fütterte, aber ich ließ mir nichts anmerken. Majda war so fasziniert von den fremden Männern, dass sie vergaß, den Brei zu schlucken, und ich knuffte sie leicht in die Wange, damit sie weiteraß.
Vater polterte in die Stube, unter dem Arm einen neuen Krug Branntwein, an dem noch feuchte Erde hing. Mochte der Himmel wissen, wo er ihn versteckt und wieder ausgegraben hatte.
„Wo ist Bela?“, fragte er. Seine Augen waren gerötet, das Haar strähnig und wirr.
„Oben“, antwortete ich. „Sie kommt gleich herunter.“
„Bela!“,
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