Totenbraut (German Edition)
den Schwur brecht! Die Türken sollen Euch finden und pfählen!“ Ich sehe, wie mein Vater totenblass wird ob dieser Verfluchung. Wie er ausholt. Aber ich fühle nicht den Schlag in meinem Gesicht. Jelka ist erschrocken, doch ihr Mund bewegt sich unaufhörlich, sie redet und redet auf mich ein und ihre Eisenhand umklammert meinen Arm. Meine kleinen Schwestern heulen lauthals. Nur Bela – Bela blickt starr aus dem Fenster, als würde nicht in ihrem Haus gerade die Welt zusammenbrechen, als hätte sich Jovan nicht gerade von einem Menschen in einen Wolf verwandelt und ich mich nicht von einem Mädchen in ein Stück Vieh, das verschachert worden war.
Es gab keine Blumen und kein Seidentuch, das der Vater zum Zeichen des Einverständnisses dem Hochzeitswerber hätte geben müssen. Ich bekam keine rot bestickten Strümpfe und keine Gürtelspangen, keine Handtücher und keine Wäsche. Und natürlich auch kein mit Münzen behangenes Halsband, wie es jeder ehrbaren Braut gebührt. Mein jämmerliches Bündel enthielt nur eine zerschlissene Tracht für verheiratete Frauen, die unsere Mutter getragen hatte, und das hölzerne Kreuz, das, seit ich mich erinnern konnte, über der Ikone der Gottesmutter gehangen hatte.
„Sie schicken mich weg, Bela“, flüsterte ich, als ich wieder Worte finden konnte. „Aber Jelka hat mir bei ihrem Leben geschworen, auf dich achtzugeben. Und ich verspreche dir: Ich komme wieder und bringe dich von hier fort!“
Doch meine Schwester sah nur aus dem Fenster und summte ein Lied. Nur kurz flatterte eine ihrer schönen, weißen Hände über meine Kehle und legte sich auf meinen Mund.
„Teufelslippen und Weißdorn sollst du nicht küssen“, sagte sie und wandte sich wieder ihrer Stickerei zu. Rote Kreuz stiche erblühten auf dem Stoff einer alten Schürze.
Mein Vater schaffte es nicht, mir zum Abschied in die Augen zu sehen, er starrte grimmig in die Ferne und seine feigen Finger umklammerten den Rakija-Becher. Doch er konnte nicht verbergen, wie sein Herz beim Gedanken an die vielen Geldstücke schneller schlug. Ich hoffte, mein hasserfüllter Blick würde seine Haut versengen.
Und während ich zum Stall ging, wünschte ich mir aus vollem Herzen, Lazar Kosac möge in diesem Augenblick aus dem Wald hervorpreschen und Herrn Jovan die Kehle durchschneiden.
Schwarz wandte den Kopf und spitzte die Ohren, als er mich eintreten sah. Ich hatte nicht geweint, als ich mich von Bela und meinen anderen Schwestern verabschiedet hatte.
Aber nun, beim Anblick des alten Pferdes, rannen mir plötzlich die Tränen über die Wangen. Ich umarmte den Hals des Wallachs und vergrub mein Gesicht in der störrischen Mähne. Erst als ich den bärtigen Reiter zu mir treten sah, schluckte ich so krampfhaft, dass meine Kehle schmerzte.
„Du bekommst den Wallach, der das Gepäck getragen hat“, sagte er. „Ein gutes Pferd. Schnell und doch sanftmütig. Du heißt Jasna, nicht wahr?“
„Ja, Herr.“
„Ich bin Simeon. Und ich sehe gern, wenn jemand unsere Rösser gut behandelt. Hast du denn schon einmal auf einem Pferd gesessen?“
Ich räusperte mich. „Auf ihm.“ Ich deutete auf Schwarz. „Früher konnte er schnell laufen.“
Simeon runzelte die Stirn, und es beunruhigte mich, dass er plötzlich besorgt wirkte. „Mit dem Sattel wird es schon gehen“, murmelte er. Er musterte mein verweintes Gesicht. „Es ist immer hart, Abschied zu nehmen“, sagte er dann sanft. „Aber du wirst sehen, Jovan wird es dir an nichts mangeln lassen. Betrachte seine Tiere – kein einziges davon trägt eine Peitschennarbe auf dem Fell. Und der junge Herr, Danilo, ist ein ... ein guter junger Mann.“
Die drei Türme
I
ch sah mich nicht um, als wir wenig später davonritten. Doch noch lange spürte ich Jelkas Blick in meinem Rücken. Ich wusste, sie würde mir so lange hinterherschauen, bis ich aus ihrem Blickfeld verschwunden wäre. Denn schließlich – und das erfüllt mich in meinem Elend mit einem grausamen Triumph – auch sie hatte etwas verloren: Sobald ich fort war, war alles, was in diesem Haus von mir zurückblieb, ein ausgebleichter Fleck in Form eines Kreuzes an der Wand.
Simeon ritt dicht neben mir, ich spürte seine Besorgnis, doch ich hob stolz das Kinn und konzentrierte mich darauf, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Fluchtpläne wirbelten durch meinen Kopf, auch wenn ich wusste, dass solche Gedanken nur die Gespenster toter Wünsche waren. Ich war ein Mädchen, das durch Lazars Reich ritt, um
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