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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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um.
    Dušan beobachtete mich aus schmalen Augen. „Warum willst du da unbedingt hin?“
    „Wenn die Österreicher da sind, ist auch ein Pope mitgekommen. Ich muss mit ihm sprechen.“
    „Warum?“
    „Weil ich ihm alles über den Wolf erzählen muss. Wenn das Dorf noch in Gefahr ist ...“
    „Was kümmert dich das Dorf?“ Dušan spuckte aus und stützte den Ellenbogen am Sattel ab. „Es hat dich nicht gut behandelt, oder? Und die Leute von den Türmen noch viel weniger.“
    „Was willst du damit sagen?“, gab ich ebenso ungehalten zurück.
    „Ich ziehe nur meine Schlüsse. Oder bist du etwa geflohen, weil alle so freundlich zu dir waren?“
    „Ich weiß nicht, was du hast“, sagte ich frostig. „Aber ich reite zum Friedhof. Du musst ja nicht mitkommen.“ Ich rannte um die Hütte herum und griff schon nach Vetars Zaumzeug, als Hufgetrappel mich herumfahren ließ.
    „He!“ Dušan saß wieder auf Šarac’ Rücken und hielt mir die Hand hin. „Ich bring dich hin“, sagte er unwirsch. „Na los!“
    Obwohl ich verstimmt war, wollte ich keine Zeit verlieren. Also ergriff ich Dušans Hand und ließ mich aufs Pferd ziehen.
    Der Schnee stob durch die Luft, als wir am Galgenbaum vorbeigaloppierten. Diesmal führte der Weg nicht zum Dorf, sondern querfeldein zu dem umfriedeten Gottesacker auf der Anhöhe. Sobald der Friedhof in der Ferne in Sicht kam, zügelte Dušan seinen Falben.
    „Den Rest gehst du zu Fuß. Und zwar ohne mich.“ Er packte meinen Unterarm und mir blieb nichts anderes übrig als abzusteigen.
    „Was zum Teufel ist los mit dir?“, schimpfte ich.
    Dušan war blass und hielt Šarac’ Zügel viel zu straff. „So wichtig, wie dir die Dörfler sind, willst du sicher nicht mit dem Fahrenden gesehen werden. Außerdem wirst du bestimmt deinem Mann begegnen.“
    In meinem Schreck über Dušans Bericht hatte ich noch gar nicht daran gedacht, dass auch Danilo auf dem Friedhof sein könnte. Dabei war es mehr als wahrscheinlich.
    „Und wenn schon!“, gab ich zurück. „Dann sehe ich eben meine Hausgemeinschaft, was ist so schlimm daran?“
    „Hörst du dir eigentlich selbst zu?“, brauste Dušan auf. „Du sagst immer noch ‚meine Hausgemeinschaft‘ – als hättest du sie gar nicht verlassen. Und sieh dich an: Kaum kannst du wieder gerade stehen, gilt deine ganze Sorge nur noch den Deinen.“
    „Sie sind nicht mehr die Meinen!“
    „Bist du sicher? Wenn du Danilo wiedersiehst ...“ Dušan verstummte abrupt. Und endlich verstand ich, was ihm wirklich Sorge bereitete.
    „Denkst du, ich gehe wieder zu ihm zurück?“
    „Jetzt weißt du ja, was dich bei mir erwartet“, sagte Dušan kühl. „Ein paar Küsse und schöne Nächte – gut. Aber auch das verliert seinen Glanz, wenn der Alltag hart wird. Und das Leben der Fahrenden ist hart, Jasna. Hütten im Wald, keine Sicherheit, Regen in der Stube. Und der Winter hat noch nicht einmal richtig begonnen. Vielleicht erscheint dir der Preis für einen warmen Herd auf dem Gut da gar nicht mehr so hoch?“
    Wenn du wüsstest, wie hoch , dachte ich.
    „Dann kennst du mich ja nicht viel besser als ich dich“, erwiderte ich kühl. „Glaubst du vielleicht, ich bin käuflich?“
    „Alles ist käuflich“, kam es trocken zurück. „Alles und jeder.“
    Das war der andere Dušan. Der, den ich für seine zynischen und verletzenden Worte am liebsten geohrfeigt hätte.
    „Aha, du denkst also, ich krieche in jedes Bett und küsse jeden Mann?“, schrie ich ihn an. „Wofür hältst du mich? Für eine Hure? Wie oft habe ich dir gesagt, dass ich mich entschieden habe!“
    „Eine Entscheidung ist etwas anderes als eine Flucht“, gab Dušan zurück. „Bei einer Entscheidung hat man eine Wahl. Hattest du eine?“
    Das war zu viel. „Geh zum Teufel, Dušan!“, zischte ich. „Nimm ein Bad im eisigen Fluss, vielleicht kühlt dann dein verdammter Hitzkopf wieder ab!“
    „Und geh du zu deiner Hausgemeinschaft“, sagte er mit einem grimmigen Lächeln „Den Weg zurück findest du ja hoffentlich auch zu Fuß.“
    Ich zielte nicht besonders gut und der Klumpen aus Schnee und Erde zerstob ein ganzes Stück neben Šarac. Ich schimpfte und fluchte, während ich Dušan nachblickte, doch schon bald wich meine Wut einer tiefen Niedergeschlagenheit. Haben wir immer eine Wahl? Das waren Anicas Worte gewesen. Ich versuchte mir einzureden, dass Dušan Unrecht hatte, aber ich musste zugeben, dass er zumindest eines sehr wohl erkannt hatte: Ich war zu ihm geflohen. Und

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