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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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ob ich wollte oder nicht, das Schicksal von Danilo und den anderen ließ mich bei Weitem nicht so gleichgültig, wie ich es mir gewünscht hätte.
     

     
    Der Hang vor dem Friedhof war ein weißes Feld, durch das sich ein matschiger Pfad bis zum Tor der Friedhofsmauer zog. Ich hätte nicht gedacht, dass es mich so viel Mut kosten würde, durch das Tor zu gehen. Es war, als würde ich von meinem neuen Leben in mein altes zurückgezogen. Mit dem Anblick der ausgehobenen Gräber, die wie schwarze Wunden im Schnee klafften, kamen auch die Furcht und die grauenhaften Erinnerungen zurück. Und obwohl ich wusste, dass es besser war, sich hier nicht mit Dušan zu zeigen, war ich dennoch zornig und enttäuscht, dass er mich alleine gelassen hatte.
    Es war ein gut gepflegter Gottesacker. Viele Gräber waren mit Blumen geschmückt oder mit Buchsbaum eingefasst, schwarze Kreuze ragten aus dem Schnee. Die Dorfbewohner drängten sich in einiger Entfernung zusammen. Der Dorfälteste Pandur stand ganz vorne bei einigen Offizieren und einem hageren Priester, der beobachtete, wie Manko und der Zimmermann Šime einen Sarg aus einem Grab hoben. Dieser Pope hätte kein größeres Gegenbild zu dem kräftigen Milutin sein können. Seine Schultern hingen nach unten, was bei einem so hochgewachsenen Mann seltsam aussah, und seine Gesichtszüge wurden von einem buschigen, braungrauen Bart verdeckt.
    Noch hatte mich niemand entdeckt, alle Augen waren auf das Geschehen gerichtet. Ich reckte den Hals und hielt unruhig nach Danilo und Simeon Ausschau. Mir war mehr als unbehaglich zumute, ihnen zu begegnen. Vor allem vor Simeon fürchtete ich mich. Was, wenn er versuchen würde, mich mit Gewalt zum Gut zurückzuschleppen?
    Ich hielt mich im Hintergrund und betrachtete einen Besucher nach dem anderen, aber zu meiner Erleichterung entdeckte ich keinen von der Hausgemeinschaft. Dafür aber ein anderes bekanntes Gesicht. Anica! Auch heute stand sie ein wenig abseits, eine einsame Gestalt, deren schlichter schwarzer Rock sich im Wind bauschte. Es ist erstaunlich, wie sehr sich die Sicht auf einen Menschen durch das eigene Erleben wandeln kann. Obwohl ich immer noch auf Dušan wütend war, konnte ich Anicas Liebe für Danilo nun aus vollem Herzen nachempfinden, ihre Verzweiflung und auch ihren Stolz. Und ich konnte mir endlich eingestehen, wie sehr ich mich freute, sie wiederzusehen.
    Die Leute stießen sich an und zischten wie Schnee auf heißer Kohle, als ich an ihnen vorbei auf die junge Witwe zuging. Auch der Priester bemerkte die Unruhe und suchte nach dem Grund. Ich grüßte ihn mit einem höflichen Nicken und wollte schon weitereilen, als ich in der Gruppe der Soldaten, bei denen der Priester sich aufhielt, Medicus Tramner erkannte. Unsere Blicke trafen sich im selben Moment und ich war überrascht, ein erfreutes Leuchten in seiner Miene zu entdecken.
    „Sieh an, Jasna Vuković!“, rief er mir in seiner Sprache zu. „Auf dich habe ich bereits gewartet. Wo ist denn dein Mann?“
    Ich war viel zu überrumpelt, um nicht zu antworten. „Bei den Türmen“, gab ich verlegen zurück. Als sie mich in der fremden Sprache reden hörten, starrten mich die Leute noch feindseliger an. Und auch Anica schien alles andere als erfreut, mich zu sehen.
    „Was willst du bei mir?“, flüsterte sie mir zu, sobald die Dorfbewohner genug davon hatten, sich nach uns die Hälse zu verrenken.
    „Dich fragen, wie es Danilo geht“, gab ich ebenso leise zurück.
    „Das weißt du wohl besser als ich“, murmelte sie. „Er war seit Wochen nicht mehr bei mir. Ich weiß nicht, wie es dir gelungen ist, aber du hältst ihn tatsächlich fern von mir.“
    Anica glaubte also, ich würde immer noch auf dem Gut leben! Und wenn sie es dachte, wussten auch die Dorfbewohner nichts von meiner Flucht. Offenbar legten weder Simeon noch Danio Wert darauf, dass es sich herumsprach. Und es hieß auch, dass Danio sein Vorhaben tatsächlich ernst nahm und Anica nicht die Wahrheit gesagt hatte.
    „Warst du bei den Türmen?“, wisperte ich.
    Anica schnaubte. „Genauso gut hätte ich an einer Ruine klopfen können. Was macht ihr dort? Die Pferde sind im Stall eingesperrt, alle Türen verriegelt. Verkriecht ihr euch in diesen gottverlassenen Gemäuern? Du hast mir nicht aufgemacht, und als Danio mich vom Fenster aus entdeckte, hat er einfach die Läden geschlossen.“ Die Demütigung, die aus diesen Worten klang, tat mir weh. Und was ich da hörte, machte mir Sorgen. Ich sah vor mir,

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