Totenbraut (German Edition)
Schlag ließ mich herumfahren. Dušan krümmte sich und sackte zu Boden. „Du Bastard!“, zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen.
Ich wusste nicht, woher ich den Mut nahm. Ich sah nur, dass der Kerl noch einmal ausholte und dass Dušan zu benommen war, um dagegenzuhalten. Er würde ihm den Schädel einschlagen! Schon hatte ich das Zaumzeug aufgehoben und holte noch im Rennen damit aus. Das eiserne Gebiss schwang wie eine Waffe und krachte gegen die Schläfe des Mannes. Er keuchte auf und taumelte zur Seite. Breitbeinig blieb er dann stehen und schüttelte benommen wie ein Bär den Kopf. Hasserfüllt starrte er mich an.
„Drecksweib“, knurrte er.
„Verschwinde!“, schrie ich und hob das Messer.
„Lass sie in Ruhe!“, drohte Dušan.
Der Kerl kniff die Augen zusammen. Dann ging ein wissendes Grinsen über sein Gesicht.
„Du bist doch die von den drei Türmen?“, sagte er und fügte an Dušan gewandt hinzu: „So geht das Geschäft jetzt also. Warum nur das Pferd stehlen, wenn du die Gutsherrin gleich dazuhaben kannst!“
Sein rasselndes Lachen machte mich noch wütender.
„Er hat es nicht gestohlen, es ist mein Pferd, du verdammter Dieb!“, brüllte ich ihn an. „Und wenn du und dein Diebesfreund uns noch einmal zu nahekommt, soll das euer letzter Tag sein!“
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Dušan sich aufrappelte, dann blitzte neben mir das Axtblatt auf. Schulter an Schulter standen wir vor dem Mann.
„Mach endlich, dass du hier wegkommst, Mirko!“, sagte Du šan.
Der Blick des groben Kerls wanderte zwischen der Axt und dem Messer hin und her, dann entspannten sich seine Fäuste und sein Grinsen wurde noch niederträchtiger. Er spuckte verächtlich aus und ging ein paar Schritte rückwärts, wie jemand, der sich ergibt.
„Dein Pferd, ja?“, sagte er zu mir. „Bist du sicher, du Kratzbürste? Oder teilt ihr euch die Beute?“
Schwer atmend blickten wir ihm nach, bis er zwischen den Büschen verschwunden war. Dann sank Dušans Axt herab. Ich steckte das Messer ein und betrachtete verwirrt das Zaumzeug. „Ich hoffe nur, Vetar ist nicht zu den Türmen zurückgelaufen“, sagte ich. „Du kennst den Kerl, also ist er wohl einer von den Fahrenden. Sind die nicht weitergezogen? Hast du dich mit ihm schon öfter geprügelt?“
Dušan antwortete nicht. Und genau in diesem Moment fiel mir etwas an dem Zaumzeug auf. Es war nicht das von Vetar, sondern das zweite, das ich bei meiner Ankunft in dem Beutel am Nagel gefunden hatte. Damals im Fieber hatte ich nicht bemerkt, wie auffallend es Vetars Zaum glich. Und nun entdeckte ich einen dunklen Fleck am ledernen Kehlriemen – er stammte von einem längst eingetrockneten Blutstropfen.
Die Liebe macht uns blind, umso mehr schmerzen die Augen, wenn wir plötzlich wieder in das Licht sehen. Mir war, als hätte jemand die Tür zu Dušans verborgenem Raum aufgestoßen, und was darin zum Vorschein kam, hatte nichts mehr vom Glanz seiner Geschichten.
„Du gehörst zu den Dieben, die Jovans Stuten gestohlen haben!“, brachte ich mühsam hervor.
Dušan stand mit hängenden Armen da, Blut rann aus einer Platzwunde unter seinem linken Auge, doch ich hatte keinen Funken Mitleid.
„Du bist ein Dieb! Und die Fahrenden waren tatsächlich die Schuldigen! Du hast ... bist du nur deshalb so oft in der Nähe des Gutes gewesen? Um zu sehen, was es dort für euch zu holen gibt?“
„Wir sind keine Fahrenden – keine Zigeuner, wenn du das meinst“, entgegnete Dušan. „Die Zigeuner sind anständige Leute. Mirkos Bande dagegen besteht aus einem Haufen von Dieben, von Vertriebenen, von Halunken, von Kerlen, die vor dem Gefängnis geflüchtet sind, so wie ich.“
„Und du hast die Stuten gestohlen?“
Er spuckte aus. „Ich habe Mirko dabei geholfen. Ich habe das Gut ausgespäht.“
Ich hätte Reue von ihm erwartet, Erklärungen, Beteuerungen, aber da war nur ein kalter Hochmut, der den Zorn in meinen Adern brodeln ließ.
„Jeder ist käuflich, was?“, fuhr ich ihn an. „Jetzt weiß ich wenigstens, dass du heute Morgen von dir selbst gesprochen hast!“
„Der Diebstahl traf nicht den Falschen“, erwiderte Dušan. „Es war eher eine längst fällige Zahlung. Jovan hat mit Mirko Geschäfte gemacht und war ihm etwas schuldig. Auch Diebe sind manchmal nur eine andere Art von Händlern. Und du weißt ja, dass dein Schwiegervater seine Rechnungen nur selten bezahlt hat. Anicas Mutter ist gestorben, ohne das versprochene Geld für die Verheiratung
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