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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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befiehlt.“
    Anđelkos Augen wurden groß. Hastig schenkte er sich Branntwein nach und trank auch das zweite Glas leer. „Sprich weiter“, sagte er heiser.
    Ich sagte ihm nicht, dass der Wolf an der Flößerhütte vorbeigelaufen war, sondern erzählte, ich sei abends noch in der Nähe des Flusses unterwegs gewesen. Der Priester saugte jedes Wort auf. Nachdem ich geendet hatte, schlug er auf den Tisch und sprang auf.
    „Dachte ich es mir doch!“, sagte er und begann ruhelos in der Kammer hin und her zu laufen. „Die Tochter des Hajduken – als ich ihr die Krankensalbung gab, redete sie davon, dass der Wolf nachts zu ihr kommt. Vielleicht haben wir es hier tatsächlich auch mit etwas anderem zu tun.“
    „Womit?“
    „Mit einem Menschenwolf“, sagte Anđelko düster. „Es gibt viele Möglichkeiten: Ein Mensch, der zu Lebzeiten ein Werwolf ist, verwandelt sich nach dem Tod in einen Vampir. Vielleicht war der Wolf einer von denen, die nun gestorben sind? Vielleicht sogar Milutin, der Priester?“
    Ich versuchte mir vorzustellen, dass der Wolf Milutin in anderer Gestalt gewesen war. Nun, es war ein grauer Wolf – und Milutin hatte weißes Haar gehabt und dennoch ...
    „Wer hat ihm dann befohlen?“, wandte ich ein.
    „Einer von denen, die vor ihm starben und zu Vampiren wurden. Vampire haben Macht über Wölfe.“
    Ich blinzelte verwirrt. Es war verstörend, aber für den Priester schienen sich die Überlegungen folgerecht aneinanderzureihen.
    „Ein Menschenwolf“, murmelte er, während seine ruhelosen Blicke durch das Zimmer schweiften. „Der wäre leicht besiegt, er ist ja noch ein Mensch und kein Untoter. Es genügt, Eisen über ihn zu werfen, dann platzt ihm das Wolfsfell auf und der Mensch steigt daraus hervor. Und wenn er noch lebt ...“ Anđelko schien ein neuer Gedanke zu kommen. „Denk nach, Frau! Kennst du jemanden, der verdächtig ist? Ein Fremder vielleicht? Jemand, der sich seltsam verhält?“
    Es war verrückt, aber für einen Moment war es dem Popen gelungen, mich mit seinem Misstrauen anzustecken. Dušan? , schoss es mir durch den Kopf. Doch ich schüttelte den Verdacht mit aller Gewalt ab. „Nein“, sagte ich entschieden. „Ich kenne niemanden, der verdächtig wäre.“
    Anđelko nickte und strich sich über den Bart. „Dann hoffen wir, dass es Milutin oder einer der anderen war und dass wir das Übel mit ihnen vernichten werden.“ Er ging zur Tür und ich erwartete schon, dass er mich heimschicken würde, doch er fuhr fort: „Beichten willst du also nicht. Aber beten solltest du für die Seelen der Toten.“
    Vor Überraschung blieb mir der Mund offen stehen. „Etwa in ... der Kirche?“
    „Der Rübenkeller wäre wohl kaum der richtige Ort.“
    „Ich ... habe keine Kerze.“
    Der Pope winkte ab. „Glaubst du, die Heiligen sind geizige Krämer und Kerzenzähler? Sie werden dich auch so willkommen heißen. Komm mit!“
    Vermutlich war es dieser eine Augenblick, in dem Anđelko mich gewann. Er war abstoßend, er trank und stank nach Schweiß. Er redete wirr und war gefährlich in seiner Entschlossenheit und seinem Stolz, aber, das erkannte ich nun, er war mit ganzem Herzen Priester.
    Wenn einer meine Ehe auflösen kann, dachte ich mit klopfendem Herzen, dann ist er es.
     

     
    Branka hatte die Wahrheit gesagt, als sie mir die Kirche beschrieben hatte: Noch nie hatte ich ein prächtigeres Gotteshaus gesehen!
    Ich trat in das Schimmern von goldenen Heiligenscheinen und fühlte mich geborgen. Mild lächelten die Heiligen mir zu: der Erzengel Michael, Maria, Johannes und der Erzengel Gabriel. Stille umfing mich, als der Priester die Tür schloss und in einen Raum hinter der mit Ikonen geschmückten Trennwand ging. Die Kerzenflammen flackerten in der rußigen Luft, während ich meine Gebete sprach. Wie sehr hatte ich mir gewünscht, ein Teil der Gemeinde zu sein! Umso seltsamer war mir nun zumute, als mir fast wehmütig bewusst wurde, dass ich nicht mehr hierhergehörte.
    Leise stand ich auf und wollte hinausgehen, da spürte ich unter meinem Gürtel den Brief. Ich zögerte, ob ich es wagen sollte, aber dann fasste ich Mut.
    „Euer Hochwürden?“ Meine Stimme hallte in der Kirche.
    Anđelko erschien zwischen den Heiligen und sah mich fragend an.
    „Könnt Ihr den lesen?“, fragte ich und hielt ihm den Brief hin. Das war eine berechtigte Frage, längst nicht alle Popen konnten lesen und schreiben.
    Anđelko winkte mich unwillig heran und warf einen Blick auf den fleckigen

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