Totenbraut (German Edition)
ihrer Tochter mit Luka bekommen zu haben. Die Knechte im Dorf warten heute noch auf den Lohn der letzten Monate. Du kannst mir glauben: Dein großzügiger Jovan war nicht weniger raffgierig als wir.“
Jovan. Ich zuckte zusammen, als er den Namen nannte. Unwillkürlich sah ich den geöffneten Sarg vor mir.
„Du ... warst in der Nacht von Jovans Tod unterwegs“, sagte ich tonlos. „Du hast dich mit jemandem geprügelt. Hast ... du ihn getötet?“
Dušan sah mich so fassungslos an, als hätte ich ihn geschlagen. „Schlimm genug, dass ich ein Dieb war“, sagte er gekränkt. „Aber noch schlimmer ist, dass du mich tatsächlich für einen Mörder hältst.“
„Du warst es also nicht?“
„Verdammt, nein!“, schrie er. „Ich war in der Nacht bei dir, hast du das schon vergessen? Und ich habe mich geprügelt, ja, mit Mirko. Er weigerte sich, mir meinen Anteil für den Verkauf der Pferde auszuzahlen, weil ich die Bande verlassen wollte.“
„Warum hast du mir nichts von all dem erzählt?“ „Ich konnte es dir nicht sagen.“
„Aber die Hausgemeinschaft, der ich angehörte, konntest du bestehlen!“, fauchte ich.
„So ist es, Jasna“, sagte er. „Jetzt weißt du es. Und was nun? Soll ich zur Kirche rennen und beichten? Aber was hätte ich Gott wohl zu sagen? Er weiß, dass die Menschen gierig sind und am Leben hängen. Er weiß, dass sie lieber stehlen, als fromm und frei von Sünde zu verhungern. Du wirst nicht über mich richten, Jasna. Denn du hast keine Ahnung von dem hier!“ Er hob die zu Fäusten geballten Hände mit den Fesselnarben an den Gelenken. „Du weißt nicht, was es heißt, ohne Ehre und ohne Leben zu sein. Die Einzigen, die mir Unterschlupf boten, als die Häscher mit den Hunden hinter mir her jagten, waren Mirkos Männer – Staško, Zoran, Arnod und die anderen. Sie konnten mich gut gebrauchen. Also wurde ich vorgeschickt, um auszuspähen, wo es sich lohnte, etwas wegzunehmen. Bei Leuten, die ein Heim hatten, ein warmes Feuer. Die zu einer Gemeinschaft gehörten. Wir nahmen ihnen etwas und zogen dann weiter.“
Ich musste die Augen schließen und die Handballen dagegendrücken. In meinem Kopf pochte es, die Gedanken überschlugen sich. „Du bist ein Dieb“, sagte ich mehr zu mir selbst als zu ihm.
„Und du eine Ehebrecherin.“
„Das kannst du nicht vergleichen!“, brauste ich auf. „Es ist etwas völlig anderes!“
„Sünde ist Sünde, oder nicht?“, erwiderte er mit einem bitteren Lachen. „Ich erwarte nicht, dass du es verstehst. Wie solltest du auch? Du bist arm, aber du hattest stets ein Dach über dem Kopf. Als die Dorfbewohner dich weggejagt haben, wie war das? Nun, ich habe das mehr als einmal in meinem Leben erfahren. Du weißt nicht, wie es ist, wirklich heimatlos zu sein. Du hast dich bei unserer ersten Begegnung gewundert, mich unter dem Galgenbaum sitzen zu sehen? Ich habe keine Angst davor. Er ist die einzige Heimat, die mir sicher ist.“
„Ich sollte dich jetzt wohl bedauern“, sagte ich mit kaum verhohlener Verachtung. „Ich hoffe, du hast deinen Anteil an der Beute bekommen. Falls nicht: Hier hast du wenigstens ein Zaumzeug, dass Jovan gehört hat.“
Ich warf ihm den Zaum vor die Füße.
Dušan biss sich auf die Unterlippe und sah mir in die Augen. „Ich gehöre nicht mehr zu ihnen“, sagte er ruhig.
„Wie bedauerlich“, schnappte ich. „Einen wie dich wird das Leben eines Holzfällers langweilen! Wie lange wirst du ein ehrliches Leben ertragen? Einen Winter?“
„Hexe!“, zischte er.
„Räuber!“, gab ich zurück.
Dušan verschränkte die Arme. Die Wut glomm auch in seinem Blick, und ich hatte den Eindruck, dass er die geballten Fäuste in die Achselhöhlen drückte, weil er mich sonst an den Schultern gepackt und geschüttelt hätte.
„Ich habe tatsächlich geträumt“, sagte er leise. „Davon, ein Holzfäller zu sein. Eine Hütte zu haben. Ein Auskommen. Vielleicht ... eine Frau. Aber selbst die, die ich will, musste ich einem anderen wegnehmen. So ist das eben mit der Liebe. Sie hält der Wirklichkeit nicht stand.“ Seine Miene wurde noch abweisender. „Wenn du klug bist, gehst du dorthin zurück, wo dein Leben so viel einfacher ist. Dein Pferd ist wahrscheinlich ohnehin schon dort.“
In der Welt, die ich bisher kannte, schlugen Frauen niemals Männer. Nun, ich musste inzwischen in einer anderen Welt leben, denn ich holte aus und schlug so fest zu, wie ich konnte. Dušan war viel zu überrascht, um sich zu wehren. Er
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