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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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keuchte auf, als ich seine Wunde streifte, und sprang zurück.
    „Und für dich habe ich in Kauf genommen, dass dieses Ungeheuer Mirko auf mich losgeht!“, schrie ich. Dann drehte ich mich um und rannte zum Fluss.
     

     
    Ich brauchte eine ganze Weile, bis mein Atem sich beruhigt hatte und meine Wut mich nicht mehr völlig überschwemmte. Der kalte Wind, der von der Morava kam und mir durch das Haar fuhr, tat mir gut. Meine Hand pochte und an den Fingern klebte noch das Blut von Dušans Platzwunde. Der Schlag hatte gesessen! Und noch war ich wütend genug, um Genugtuung zu empfinden. Die Morava führte viel Wasser, sie schäumte und raunte. Ich trat auf den Steg und tauchte meine Rechte in den Fluss. Die Kälte betäubte das Pochen in den Fingerknöcheln und wirkte ernüchternd. In der Linken hielt ich immer noch das Messer mit dem Eschengriff. Ich hörte, wie Dušan seine Axt auf den Wagen warf und Šarac mit einem Schnalzen antrieb. Der Wagen rumpelte davon. Ich sah mich nicht um und ich war sicher, dass auch Dušan sich nicht umblickte, als er die Flößerhütte zurückließ.
    Ein Schnauben riss mich aus meinen Gedanken. Als ich nach rechts blickte, entdeckte ich Vetar. Sein schwarzes Fell war wie ein Schatten auf der abenddunklen Auenwiese, aber er stand tatsächlich dort! Und als ich ihn rief, spitzte er die Ohren und kam mit dem schleifenden Seil auf mich zugetrottet. „Und ich dachte, du seist zurückgelaufen“, murmelte ich ihm zu. Zärtlich fuhr ich ihm über den Kopf und zupfte ihm die Stirnlocke zurecht. Er strich mir mit der Nase über die Schulter und prustete mir in die Halsbeuge, was mich wegen der Ähnlichkeit mit Schwarzens Zutrauen trotz allem zum Lächeln brachte. In einem Wimpernschlag war die Erinnerung an meinen armen Vater da, Belas Hände waren mir mit einem Mal ganz nah, der Geruch der Stube und der Duft von Lindenblättern. Ich verstand in diesem Augenblick, was Heimat auch sein konnte: Eine Erinnerung. Die Geborgenheit des Wiedererkennens. Ein Pferd, das vertrauensvoll zurückkam, nachdem es weggelaufen war. Holz, das im Ofen geschürt wurde, damit ich es warm hatte. Jemand, der mir ein Messer brachte und Geschichten erzählte, wenn ich fieberte, und der mehr Angst davor hatte, meine Liebe zu verlieren als davor, seine Diebesgesellen zu verlassen. Die Menschen sind ohnehin Sünder , hallten Anđelkos Worte mir im Ohr.
     

     
    Obwohl es inzwischen dunkel war, fiel es mir nicht schwer, Dušans Spuren zu folgen. Im Schnee und im Schlamm hatten die Räder des Karrens tiefe Rillen hinterlassen und auch Vetar schien zu wissen, wo Šarac war, und strebte ihm hinterher. Schon bald entdeckte ich den Wagen, den Dušan auf den Waldrand zulenkte. Kurz vor dem Unterholz brachte er ihn zum Stehen und sprang herunter, um Šarac zu führen. Jetzt hörte er auch Vetars Hufschlag und fuhr herum.
    „Jasna ... !“, rief er erstaunt.
    Weiter kam er nicht. Ich ließ mich von Vetars Rücken gleiten und Dušan fing mich auf und umarmte mich so fest, dass mir die Luft wegblieb.
    „Wenn du mir noch etwas zu sagen hast, lass es bitte“, sagte ich. „Es gibt nur eine begrenzte Menge schlechter Nachrichten, die ich an einem einzigen Tag ertrage. Und heute waren es genug: Mein Schwiegervater ist ein Vampir und ich habe die Nachricht erhalten, dass mein Vater seit einem halben Jahr tot ist.“
    „Was?“, flüsterte er. „Dein Vater ...“
    „Ich muss dir noch etwas sagen.“
    „Aber wie ...“
    „Ob es dir gefällt oder nicht: Ich werde deinen Rat befolgen und tatsächlich zu meinem Mann gehen. Aber nicht, um bei ihm zu bleiben, sondern um mit ihm zu reden. Ich glaube, Nema ist eine Muslimin. Und wenn ... all das vorbei ist, mit Jovan und den anderen, werde ich versuchen, meine Ehe für ungültig erklären zu lassen. Dann bist du an der Reihe, dich zu entscheiden: Geh zu den Dieben zurück und du bist mich los. Denn ich denke nicht daran, einen Dieb zum Mann zu haben!“
    Dušan zog mich noch fester an sich. Ich spürte seine Lippen auf meiner Schläfe, dann nahm er mein Gesicht in seine Hände und küsste mich. Sein Mund war warm und sein Kuss war ungestüm und behutsam zugleich und trug mich für einige Momente davon. Ich öffnete die Augen nicht, als Dušan mir mit einem Lächeln in der Stimme antwortete: „Dann habe ich ja gar keine Wahl, Distel!“
     

     
    Überraschenderweise war die Holzfällerhütte nicht so weit vom Fluss entfernt, wie ich angenommen hatte. Geduckt und winzig drängte sie

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