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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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lockerer. Als ich Hitze fühlte, warf ich mich auf den Teppich und wälzte mich darauf, um jede Flamme zu ersticken. Mein Messer fiel mit dem Gürtelband auf den Boden. Ich rollte herum und bekam es zu fassen. Es war dieser Moment wilden, verzweifelten Triumphs, in dem ich beschloss, dass Yasar mich nicht bekommen würde.
    Die Fesseln zu lösen kostete mich unendlich viel Anstrengung. Erschöpft und hungrig kauerte ich mit schmerzenden Schultern auf dem Boden und rieb über die Fesselmale auf meinen tauben Handgelenken, bis wieder Gefühl in meine Finger kam.
    „Bela!“, flüsterte ich in die entsetzliche, dichte Stille des Raums. „Bela, wo bist du?“
    Nichts. Ich musste wohl einsehen, dass ich hier völlig auf mich gestellt war. Der Gedanke an Dušan gab mir einen Stich, doch ich verscheuchte ihn und zwang mich dazu nachzudenken. Der Raum ist ein Keller mit einem Geheimgang nach draußen , überlegte ich. Mein Blick fiel auf die verstreuten Gegenstände. Die goldene Ikone der Gottesmutter, die Yasar auf den Boden geworfen hatte, war so sorgfältig poliert, dass ich darin eine blasse Spiegelung der Kellerdecke sah. Unwillkürlich blickte ich nach oben. Wie hat Vampir den Spiegel gefunden? , dachte ich. Er muss im Schwarzen Turm gewesen sein. Und dann fiel es mir endlich ein: Wo es einen Ausgang gab, musste es auch einen Eingang geben – oben, im Turm!
    Ich kniff die Augen zusammen und suchte die rußgeschwärzte Decke ab. Die Kerzen flackerten. Von irgendwoher strömte Luft in den Raum! Ich fuhr herum und hielt die Hand vor eine Flamme. Tatsächlich – ein feiner Strom, kaum wahrnehmbar. Ich nahm die Kerze und ließ mich von ihr führen. Der Strom kam von oben, aus einer Nische über dem Bett.
    Die zerbrochenen Heiligen sahen mir vorwurfsvoll und zweifelnd dabei zu, wie ich mit aller Kraft das Bett ein Stück von der Wand wegzerrte und die Kommode dorthin schob. Wenn ich mich auf die Kommode stellte, reichte ich bis zur Decke. Meine Finger wurden schwarz vor Ruß, während ich das Holz abtastete, eine Rille entlangfuhr und endlich – endlich! – den Luftzug spürte. Eine Klappe, allerdings bewegte sie sich kein Stück, als ich von unten dagegenschlug. Kurz entschlossen nahm ich das Messer und kratzte an der Rille entlang. Da war ein Spalt, durch den Luft in den Raum strömte, mit etwas Mühe passten meine Finger hindurch. Aber als ich mit aller Kraft drückte, hob die Klappe sich nur ein wenig an und fiel dann mit einem dumpfen Laut zurück. Jemand hatte sie von außen beschwert.
    Mir war schlecht vor Panik, doch ich stemmte mich noch einmal dagegen. Die Klappe ging ein Stück auf und fiel zurück. Ein Schaben erklang. Doch das Geräusch fachte meine Hoffnung an: Das, was obenauf lag, war ein kleines Stück verrutscht!
    Ich weiß nicht mehr, wie oft ich meine Kräfte zusammennahm. Doch je öfter ich eine Verschnaufpause einlegen musste, desto verzweifelter wurde ich, weil sich das Gewicht darauf nur um den Bruchteil einer Handbreite zu bewegen schien. Wie viel Zeit mochte vergangen sein? Eine Stunde? Zwei? Mein einziger Anhaltspunkt waren die Kerzen. Eine nach der anderen war heruntergebrannt. Ich brauchte lange, viel zu lange!
    Nur noch eine Kerze flackerte kurz vor dem Erlöschen, als ich wieder auf die Kommode kletterte. Mein Blut hämmerte mir in den Schläfen, so sehr strengte ich mich an. Dann rutschte etwas und die Klappe ruckte nach oben! Vor Erleichterung schluchzte ich auf. Ich nahm das Messer und schob es durch den Spalt, sammelte zum letzten Mal meine Kraft und stemmte mich gegen das Holz, um sie endgültig aufzustoßen. Die Klappe verschwand, als hätte sie sich aufgelöst. Ich schnellte ins Leere und verlor das Gleichgewicht, als zwei Hände meine Gelenke packten.
    Bevor die letzte Kerze endgültig erlosch, erhaschte ich einen Blick auf Fesselnarben.
    „Stoß dich ab!“, flüsterte Dušan mir zu. „Mit aller Kraft!“
    Seine Finger gruben sich tief in meine Arme. Ich bemühte mich nicht aufzuschreien, während er mich nach oben über den Rand zog. Keuchend kam ich auf dem Lehmboden zu liegen, im Dämmerlicht, inmitten von Taubenfedern und Unrat. Schräg über mir gähnte das gezackte Loch im Fußboden des oberen Stockwerks. Irgendwo da oben hatte ich gestanden, damals, als ich den Spiegel hingelegt hatte. Und der Gegenstand, der die Klappe zum Keller beschwert hatte, war, das sah ich nun, das Stück eines verkohlten Balkens.
    „Gerade noch rechtzeitig, was?“, flüsterte Dušan mir zu.

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