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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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hätte geschworen, dass niemand eine solche Wunde überleben konnte.
    „Damals starb ich“, sagte er nach einer kurzen unheimlichen Stille. „Viele Male. Man kann Menschen auf unterschiedliche Art das Leben nehmen und mein Bruder war gründlich gewesen. In Istanbul war meine Zukunft zu Ende. Ich hatte das Geschenk, das Sultan Ahmed mir anvertraut hatte, verloren. Aber das genügte Jovan noch nicht. Auch mein Vaterhaus sollte er mir nehmen. Mein Vater hatte Jovan enterbt. Aber Simeon hat im Namen seines Wahlbruders das Testament geändert. Alles, was er brauchte, waren zwei gut bezahlte Zeugen, die bestätigten, dass Petar diesen letzten Wunsch an der Bahre geäußert hatte. Ein schöner Brauch. Und Hajduk Jovica und ein anderer Kerl ließen sich nicht lange bitten.“
    „Mussten sie deshalb sterben?“
    „Jeder zahlt seinen Preis.“
    „Auch Saniye, nicht wahr?“
    „Ich habe das Feuer gelegt. Und ich habe gesehen, wo sie begraben wurde, heimlich, in der Nacht. Sie war aus dem Turm gestürzt.“
    Er weiß es wirklich nicht , dachte ich. Er weiß nichts von Vampir. Und er weiß nicht, dass Saniye bei ihrer Flucht von ihm schwan ger war und dass Danilo sein Sohn ist.
    Dafür hatte es Jovan die ganzen Jahre über gewusst. Nun ergab alles einen Sinn: Jovans Groll gegen seine Frau. Wie sehr musste er ihr übel genommen haben, dass sie den Sohn seines Bruders bereits unter dem Herzen trug. Und dass dieser Sohn gesund war und sein eigenes Kind erkrankte! Und jetzt passten auch die anderen fehlenden Teile ins Bild: wie sehr er unter seinem Dasein als Brudermörder gelitten hatte. Dass er den Schatz versteckt hatte. Ich konnte es verstehen. Niemand, der bei Sinnen war, würde versuchen, einen solch fluchbeladenen Reichtum zu verwenden. Unter einer solch schweren Schuld war die Liebe schnell zerbrochen. Schließlich hatte er Saniye und Danilo verachtet. Und ich war sicher, Danilo wusste nichts von alldem.
    „Jovan stahl mir meine Frau, mein Erbe und meine Zukunft in Saadabad “, sagte Yasar. „Und so habe ich ihnen ihre Zukunft gestohlen. Einem nach dem anderen. Das Gut wird untergehen.“
    „Und diese Kammer soll mein Grab werden, ja?“, fuhr ich ihn an.
    „Oh nein“, erwiderte er. „Über dich haben andere das Urteil gesprochen. Die Dörfler werden dich am Galgenbaum aufhängen. Und dann werden sie mit dir verfahren wie mit jedem Vampir.“
    „Ich weiß, wer du bist!“
    Yasar beugte sich so weit vor, dass ich mein Spiegelbild in seinen Augen sehen konnte. „Schade nur, dass du es ihnen nicht verraten kannst, weil ich dir vorher die Stimme nehme, wie ich es einst mit Gizem gemacht habe“, flüsterte er mir zu. „Du wirst deinem Ende stumm entgegensehen.“
    Sein Lächeln war immer noch freundlich, seine Augen, braun wie die von Danilo, gütig und warm, der Wahnsinn verbarg sich gut dahinter. Ein eigentümlicher Geruch ging von ihm aus, eine Mischung aus Schweiß, Weihrauch und noch etwas anderem, was ich nicht benennen konnte.
    „Du hast noch etwas Zeit, um darüber nachzudenken, wo das ist, was ich suche“, schloss er. „Und dann hast du immerhin eine Wahl: Sage es mir und du wirst einen schnellen, gnädigen Tod haben. Verschweige es mir und ich sorge dafür, dass dein Henker sehr ungeschickt sein wird.“
    Er stand auf und ging zur Tür. Mein Schlüsselbund klirrte in seiner Hand.
    „Warum jetzt?“, rief ich ihm hinterher. „Nach so vielen Jahren? Wo warst du all die Zeit?“
    Yasar drehte sich an der Tür noch einmal zu mir um.
    „Hast du Saniye nicht gesehen? Sah sie nicht aus, als hätte sie nur geschlafen? Für mich ist Zeit etwas anderes als für dich.“

Die Morava
     

    D
ie Tür fiel zu und ich blieb mit den flackernden Kerzen zurück. Ich wartete keine Sekunde, sondern krümmte mich auf dem Boden zusammen und versuchte, meine Arme so zu strecken, dass ich durch sie hindurchschlüpfen und sie so nach vorne ziehen konnte, doch es war hoffnungslos. Mit gefühllosen Fingern riss ich am Knoten meines Gürtelbandes herum und fluchte, als es mir auch nicht gelang, diesen zu lösen. Keiner der Gegenstände im Raum war scharf genug, um damit die Fesseln zu durchschneiden. Aber es gab Kerzen! Das Seil würde ich damit kaum durchbrennen können, aber sie würden mir helfen, an das Messer zu kommen. Ich verbrannte mir das Handgelenk, als ich den Gürtel gegen die Kerzenflammen hielt, immer in der Angst, das Kleid könnte Feuer fangen. Es roch nach versengter Wolle, doch das Band saß plötzlich

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