Totenbraut (German Edition)
umgekehrt gebogenem Hals und einem Buckel. Es roch wie in der Kirche, nur blumiger. Fremdartig verziertes Geschirr von dunkelblauer und grüner Farbe stand auf dem Tisch. Und dann fuhr es mir wie ein siedend heißer Schreck in die Knochen: ob Jovan überhaupt dem rechten Glauben angehörte? Was, wenn mein Vater mich an einen Sohn Mohammeds verkauft hatte? Im selben Augenblick entdeckte ich zu meiner grenzenlosen Erleichterung die Ikonenecke. Der Heilige Jovan, die Heilige Jelena und die Muttergottes. Fleischige gelbe Blumen mit dicken Stielen schmückten die heilige Stätte.
„Wo ist ... der Sohn des Herrn?“, fragte ich Nema leise. „Danio ... so heißt er doch?“
Die Stumme wiegte den Kopf, winkte in Richtung Tür und zog mich weiter. Sie führte mich in eine dunkle, karge Kammer, in der sie wohl selbst lebte. Beklommen sah ich mich um. Das Fenster war schmal. Ich konnte den brandgeschwärzten Turm sehen. Nema brachte mir eine heiße Brühe, die ich dankbar annahm. Die Suppe leuchtete gelb und schmeckte nach unbekannten Gewürzen, scharf und süß zugleich.
Zwei Männer in bäuerlichen Lodenhosen schleppten einen hölzernen Zuber, so groß wie ein schmaler Schweinetrog, in den Raum. Ich wunderte mich noch, dass er hier Platz fand, als sie auch noch einen gefüllten Krug und mehrere Eimer abstellten. Wasser schwappte auf den Holzboden. Kaum hatten sie die Tür hinter sich geschlossen, forderte Nema mich auf, Rock und Bluse auszuziehen und in den Zuber zu steigen. Sie wandte sich nicht ab, als ich das vor Schmutz starrende Gürtelband löste und den Jelek – die Weste – abstreifte. Ich wollte nicht, dass eine ältere Frau mich wie eine Dienerin wusch, also nahm ich ihr den Waschfleck kurz entschlossen aus der Hand und ließ nur zu, dass sie mein Haar entwirrte und kämmte und mir dann das kalte Nass über Kopf und Schultern goss. Bitteres Wasser sammelte sich auf meinen Lippen. Auf meine Frage, ob es Quellwasser sei, nickte Nema.
„Wer gehört noch zur Hausgemeinschaft?“, fragte ich. „Wie viele Leute leben hier?“
Vier , bedeutete Nema mir. Mit dir fünf . Das war nicht viel für ein so großes Haus. Dann waren die Männer eben wohl Knechte gewesen?
Bäche von Schmutz sammelten sich im Zuber. Zum Vorschein kam aufgeschürfte Haut an Knien und Schenkeln, die Nema mit einem bedauernden „Ts, ts“ bedachte. Als mein Blick auf ihre Hände fiel, erschrak ich. Echsenhaut. Rote und helle Brandnarben bildeten ein unregelmäßiges Muster und zwei Finger waren ungelenk und steif, da die verhärtete Haut kaum Bewegung zuließ.
„War das ... eine Verbrühung? Vom Kochen?“, fragte ich leise.
Die alte Frau seufzte nur und schüttelte den Kopf .
Von ihrer Antwort ermutigt, fragte ich weiter. „Wo werde ich bis zur Hochzeit leben? Hier in diesem Raum mit dir? Es ist ja noch einige Monate hin, nicht wahr? Ein Bund, der nicht im Herbst geschlossen wird, bringt Unglück, so ist es doch auch hier bei euch der Brauch?“
Doch diesmal gab Nema mir keine Antwort. Eilig verschwand sie nach draußen. Als sie wiederkam, raschelte Stoff. Staub erhob sich und tanzte im Sonnenstrahl, der durch die Fensterscharte fiel. Nema schüttelte das dunkelbraune Kleid vorsichtig aus. Es war keine Tracht, sondern bestand aus einem Stück und sah städtisch aus. Und es hatte wohl einer großen Frau gehört, denn die zierliche Stumme musste es hoch halten, damit der schwere Saum nicht am Boden schleifte. Eine Weile hielt sie es nur vor sich hin und betrachtete es gedankenverloren.
„Ich soll das anziehen?“, fragte ich. „Wem gehörte es?“ Dir! , sagte Nemas Geste.
„Nein, nein“, widersprach ich. „Vorher. Eine andere Frau hat es getragen, der Saum ist schon ein wenig abgenutzt. Gehörte es der ... früheren Hausherrin?“
Der Blick der Alten war Antwort genug. Es war also tatsächlich das Kleid der Toten. Plötzlich klapperten meine Zähne wieder. Heftig schüttelte ich den Kopf. „Gebt mir die Tracht meiner Mutter!“, rief ich. „Wo ist sie? Ich möchte meine eigenen Kleider anziehen!“
Nimm dieses hier oder geh nackt aus dem Zimmer , gab Nema mir mit schroffen Gesten zu verstehen. Ich vergaß sogleich jegliche Demut, ich weigerte mich lautstark, ich schimpfte und schrie, bis Nema mir drohte, die Männer zu rufen. Als sie zur Tür ging und nach einer Glocke griff, die dort an der Wand hing, wurde mir klar, dass sie es wirklich ernst meinte. Mit Tränen der Wut in den Augen gab ich schließlich nach und nahm das
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