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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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hat lange auf dich gewartet“, fuhr Simeon fort. „Also sei freundlich zu ihr. Sie hat einen weiten Weg hinter sich.“
    „Jasna heißt sie also“, murmelte der Fremde, der das Bett mit mir teilen sollte.
    Diesmal schlug ich die Augen nicht demütig nieder. Sieh dich vor! , sagte mein Blick. Doch in Danilos Augen fand ich keine Feindschaft, sondern nur die verbitterte Wildheit eines gefangenen Raubtiers. Und seltsamerweise fühlte ich mich in diesem Moment beinahe erleichtert. Er wollte mich ebenso wenig wie ich ihn. Vielleicht hatte ich doch noch eine Möglichkeit zu entkommen. Zu meiner Überraschung gab Danilo das Spiel mit dem Blick als Erster auf und trat zum Tisch. Im Stehen nahm er den Becher, den Simeon inzwischen gefüllt hatte, und erhob ihn.
    „Auf die Braut“, sagte er.
    „Wein für die Svati “, erwiderte Jovan. Nema trat neben mich, Simeon neben Danilo. Stuhlbeine scharrten über den Boden, als Jovan und der Pope aufstanden. Nur ich blieb sitzen. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Die Trauungsbeistände waren also auch schon festgelegt worden. Und auch dass Nema die Rolle meiner Patin und Zeugin bei der Trauung spielen würde. Wann hatten sie all das beschlossen?
    „Was soll das heißen?“, fragte ich. „Warum jetzt der Umtrunk?“
    Nema nahm einen Holzbecher vom Tisch und drückte ihn mir in die Hand. Milch war darin, die nach Honig duftete. Bräute bekamen am Tag ihrer Hochzeit Honigmilch zu trinken, damit ihr Reden süß sein solle. Mir wurde kalt.
    „Trink“, sagte Jovan. „Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“
    „Nein!“, rief ich und trat einen Schritt zurück. „Nicht heute!“
    Danilo lächelte bitter und stürzte seinen Wein hinunter.
    Trink! , befahl mir Nema und versuchte mir den Becher an die Lippen zu drücken. Ich wehrte sie ab, schlug nach ihr, sodass sie zurücktaumelte. Der Becher fiel zu Boden. Milchtropfen benetzten meinen Rock und rannen am Tischbein herunter.
    „Bring sie zur Vernunft!“, sagte der Pope zu Danilo. „Oder willst du, dass deine Ehe voller Streit ist?“
    Danilos und mein Blick kreuzten sich. Ich war auf vieles gefasst, aber mein Bräutigam zeigte nur ein spöttisches Lächeln. „Soll mein Vater sie doch zur Ordnung rufen, wenn er meint, dass ...“
    „Genug!“, donnerte Jovan. Seine Faust sauste auf den Tisch. „Wir werden diese Angelegenheit jetzt hinter uns bringen. Und du, Jasna, finde dich damit ab: Ich denke nicht daran, ein unverheiratetes Paar bis zum Herbst unter meinem Dach wohnen zu lassen. Bei uns wird im Frühjahr geheiratet und das bestimme ich, weil ich in diesem Haus das Sagen habe.“
    Ich würgte an einem verzweifelten Widerspruch, aber sogar Simeon blickte düster drein, und ich begriff, dass er mich, wenn es sein musste, zur Kirche schleppen würde wie eine strampelnde Ziege zur Schlachtbank. Ich saß in der Falle. Etwas Heißes, Schreckliches erblühte in meiner Brust, doch ich wollte ihnen nicht den Gefallen tun und weinen.
    „Und jetzt lasst uns gehen!“, sagte Jovan.
     

     
    Wenn ich heute an meine Hochzeit zurückdenke, erscheint sie mir noch viel seltsamer als damals. Wie auf einem Bild bemerke ich viele kleine Dinge, die mir damals entgangen waren. Ich sehe, dass der Regen aufgehört hat und eine verschleierte Sonne die Türme in ein unwirkliches Licht taucht. Vor der Schwelle drückt Nema mir einen Apfel in die Hand, damit die Ehe fruchtbar werde. Dann stolpere ich schon neben Danilo den Weg zu den Felsen entlang.
    Das Wasser der Quelle wird von einem flachen, aus Stein gemeißelten Becken aufgefangen. Wie Blutstropfen leuchten rote Mohnblumen in der Nähe. Einen Augenblick wundere ich mich, dass in der Quelle keine Kaulquappen schwimmen zum Zeichen, dass das Wasser sauber ist, und bemerke, dass die Pflanzen an den nassen Stellen am Boden nur kümmerlich wachsen. Der Pope schöpft einen Becher voll. Ich weiß bereits, dass das Wasser bitter schmeckt, und schlucke nur widerwillig. Danilo nimmt den Becher und verzieht keine Miene. Danach führt Jovan mich zum linken Zwillingsturm. Zwei Knechte mit narbigen Fratzen drücken sich dort herum. Als ich mich verstohlen umschaue, bemerke ich, dass sie sich hastig bekreuzigen, als würden sie den bösen Blick fürchten.
    Ich staune, als wir den Turm betreten und in einem kleinen Kirchraum stehen. Ikonen schmücken die Wände, in der Mitte befindet sich der gekreuzigte Jesus Christus. Das Leid in seinem Gesicht erinnert mich an die Miene meiner Mutter und plötzlich

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