Totenbraut (German Edition)
muss ich wieder gegen die Tränen ankämpfen. Jovan schiebt mich so nahe an meinen Bräutigam heran, dass wir Arm an Arm stehen, damit die Ehe eng werde. Unsere Trauzeugen halten Kränze als Hochzeitskronen über unsere Köpfe. Der Pope beginnt zu sprechen, doch er verhaspelt sich häufig. Ich rieche Branntwein in seinem Atem. An Danilos Namen erinnert er sich erst, als Simeon ihn ihm zuflüstert. Als er Danilo und mich auffordert, unseren Willen zur Ehe zu bekunden, zögern wir beide. Ausdruckslos und stockend spricht Danilo dann die Worte der Zeremonie nach, während der hölzerne Jesus ins Leere schaut. Wir trinken aus dem gesegneten Becher. Schließlich nimmt der Pope unsere Hände und legt sie ineinander. Ich weiß noch, wie erstaunt ich war, dass Danilos Händedruck sanft war und nicht grob, wie ich es erwartet hätte. Erst als wir aus dem Turm traten und einer der Gehilfen auf Jovans Geheiß auf einer Tamburica zu spielen begann, fiel mir auf, dass ich mich an kein einziges Wort meines Eheversprechens erinnerte.
Der rechte Turm, dem wir uns nun näherten, sollte unser Heim werden. Ein fröhlicher Zug mit vielen Gästen, Boten und Fahnenträgern hätte uns begleiten müssen. Doch auf dieser Hochzeit spielte kein Spaßmacher den Leuten Streiche. Und statt der Reigenmädchen begleitete mich nur die stumme Nema. Sie trug Salz und ein Stück Brot, ein lächerlich kleines Zugeständnis an den Hochzeitsbrauch. Simeon und Danilo gingen vor mir die Treppe hinauf und hoben die Holzschwelle an, damit ich darunter hindurchgehen konnte. So konnte mir kein Dämon ins Haus folgen.
Das Erste, was ich wahrnahm, war der Geruch nach Schmalzgebäck und gebratenem Fleisch. Ich betrat einen viereckigen Raum mit einer großen Feuerstelle. Sie war staubig und erloschen und die blanken, neuen Töpfe hingen an verrosteten Haken. Nichts, was ich hier sah, erinnerte an das Türkenland. Hölzerne Leiterstiegen führten durch eine offene Dachklappe von diesem Raum in den nächsten – ganz ähnlich war ich in meinem Vaterhaus in den Schlafraum unter das Dach geklettert.
Bei jeder anderen Hochzeit wäre es nun die Aufgabe des Spaßmachers gewesen, das Haus in Unordnung zu bringen. So aber legte Simeon lediglich behutsam einen Stuhl um und ich stellte ihn wieder auf. Dann nahm die traurige Gesellschaft an dem reich gedeckten Tisch Platz. Voller Abscheu beobachtete ich, wie der Pope das gebratene Lammfleisch und die übrigen Köstlichkeiten in sich hineinschlang, als gälte es, für ein Jahr im Voraus zu essen. Ich selbst brachte keinen Bissen herunter und auch Nema rührte von dem Festmahl nichts an.
„Auf unsere Domačica ! Die Hausherrin!“, sagte Simeon in die kleine Runde. Ich konnte nicht lächeln, als die Männer mir zuprosteten. Viel zu sehr hatte ich das Gefühl, dass sie von einer Fremden sprachen. Danilo hob ebenfalls seinen Becher an die Lippen. Unsere Blicke trafen sich und ich sah: Er wollte mich immer noch ebenso wenig wie ich ihn.
Ich weiß nicht, wie die Stunden vergingen, aber es dämmerte bereits, als Jovan schließlich aufstand und das Ende des Hochzeitstages verkündete. „Siehst du, Sohn“, sagte er gut gelaunt, bevor er mit den anderen zur Tür hinausging, „es kann keiner ein Mann sein, bevor er nicht ein Weib hat. Und denke daran: Dieses Wort gilt für immer. Die Ehe kann nur durch den Tod aufgelöst werden.“
Mich schauderte. Ich hätte schwören können, in Danilos Augen Mordlust aufblitzen zu sehen.
Nema umarmte uns zum Abschied. Dann trat Simeon zu Danilo. Obwohl er sehr leise sprach, hörte ich doch, was er ihm zuraunte: „Sei freundlich zu ihr. Ein Mädchen ist wie ein Spiegel, den jeder Hauch trübt. Darum musst du Spiegel und Mädchen wohlbehüten.“
Mein Ehemann antwortete nicht. Kurz darauf fiel die Tür zu. Die plötzliche Stille war ohrenbetäubend. Dann drehte sich außen ein Schlüssel im Schloss.
„Sie werden uns doch nicht etwa einsperren!“, rief ich fassungslos.
Danilo lachte, während er zusah, wie ich zur Tür stürzte und heftig an der Klinke rüttelte. Es war ein freudloses, bitteres Lachen, das ich noch oft hören sollte.
„Was sollte mein Vater sonst tun?“, fragte er spöttisch. „Es darauf ankommen lassen, dass einer von uns in der Hochzeitsnacht davonläuft? Sag, wie viel hat er für dich bezahlt?“
„Für ein Dasein als Gefangene nicht genug“, erwiderte ich unwirsch und biss mir sofort auf die Zunge.
Danilo lachte wieder, nahm eine volle Flasche
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