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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Rakija, setzte sie an die Lippen und trank in langen Zügen. Klarer Branntwein rann ihm über das Kinn. Hör auf damit! , hätte ich ihn am liebsten angeschrien.
    „Gewöhn dich besser gleich daran“, meinte er. „Mein Vater gewinnt immer.“
    Ich blieb an der Tür stehen, den Rücken an das Holz gedrückt, die Hand auf der Klinke. Erst nach einer ganzen Weile wagte ich mich ein wenig vor. „Warum haben wir nicht in der Kirche von Medveđa geheiratet?“
    Danilo setzte die Flasche so hart an die Lippen, dass ich hörte, wie ein Zahn an das Glas stieß. Er trank gierig und wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. Als er mich ansah, wurde mir wieder unbehaglich zumute, dennoch ließ ich nicht locker.
    „Warum das alles?“, wollte ich wissen. „Warum die Eile? Und warum eine Braut von außerhalb? Gibt es bei euch im Dorf keine Frauen?“
    „Mein Vater hat dich nicht zu den Türmen geholt, damit du Fragen stellst“, gab er mir heiser Antwort. Er senkte den Kopf und starrte die Flasche an, als würde er dort eine Wahrheit sehen, die mir versagt blieb. Er wirkte, als hätte er meine Anwesenheit vergessen, und ich nutzte die Gelegenheit und huschte zur Leiterstiege. Ich raffte den langen Rock und konnte gar nicht schnell genug hinaufklettern, und mein Mann hielt mich tatsächlich nicht zurück. Erst als ich die Bodenklappe unter mir geschlossen hatte, atmete ich auf. Eine Galgenfrist, wenige Augenblicke für mich allein. Nach so vielen Tagen. Über mir, gedämpft durch die hölzerne Decke, hörte ich das sanfte Gurren von Tauben und federweichen Flügelschlag.
    Ein Öllicht erleuchtete ein mit Schnitzereien verziertes Himmelbett mit weißen Vorhängen. Mein Holzkreuz hing an einem neuen, blanken Nagel an der Wand über den Kissen. Ich schlich auf Zehenspitzen zum Bett und berührte vorsichtig die zarten Stickereien auf den Decken. Nicht einmal Bela hätte sie besser machen können. Vögel mit schillernd blauem Gefieder und Kronen auf den Köpfen waren darauf abgebildet.
    An der Wand stand eine Truhe. Ich hoffte so sehr, meine Kleider darin zu finden, aber sie war gefüllt mit Röcken und Miedern der verstorbenen Herrin. Nichts wollte ich von der Toten haben! Mit fahrigen Fingern entledigte ich mich meines fremden Brautkleides. Nur das Unterkleid aus hellem Leinen ließ ich an. Dann löschte ich das Licht und verkroch mich auf die Fensterbank.
    Draußen war es dunkel geworden. Durch das Fenster konnte ich beobachten, wie die zwei Gehilfen im Schein einer kleinen Fackel den Hof verließen. Der eine hatte sich die Tamburica unter den Arm geklemmt. Ängstlich blickten die Männer zurück, dann beschleunigten beide ihre Schritte, bis sie beinahe rannten.
    Irgendwann lehnte ich die Stirn an die Knie und schloss erschöpft die Augen. Dort, wo meine Wange mein Knie berührte, pochte es heiß, doch der Nachtwind kühlte meine Haut. Frierend tastete ich mich schließlich zum Bett. Es war zu weich, um bequem zu sein, ich hatte das Gefühl, den Halt zu verlieren. Noch tiefere Dunkelheit senkte sich um mich und ließ die Gegenstände im Zimmer in den Schatten treten. Angespannt lauschte ich, zuckte bei jedem Geräusch zusammen und wartete.
    Natürlich wusste ich, was in Hochzeitsnächten zwischen Mann und Frau geschah. Ich wusste nur nicht, was ich davon halten sollte. Meine Mutter hielt die Vereinigung für eine Strafe, die Gott über die Weiber verhängt hatte. Der Pope im Taldorf zählte bei jeder Predigt die Qualen der Hölle auf und ermahnte die Frauen, demütig für Evas Sünde zu büßen. Nur meine Schwester Nevena, die zu Tode gestürzt war, hatte mir etwas ganz anderes erzählt. Eines Nachts war sie mit Heu im Haar in meine Kammer gekommen. Selbst im Mondlicht konnte ich sehen, dass ein ganz neues Lächeln auf ihrem Gesicht lag. Flüsternd gestand sie mir, dass sie in dieser Nacht mit dem Sohn des Kürschners geschlafen hatte, und sagte, dass die Geschichte von Strafe, Schmerz und Sünde eine Lüge sei.
    Die Stille war es, die mich aufschreckte. Die Erschöpfung der vergangenen Tage hatte mich davongetragen, aber nun war ich wach. Die Tauben waren verstummt. „Bela?“, flüsterte ich und erkannte noch im Sprechen meinen Fehler. Die Sehnsucht nach meiner Schwester krampfte mir das Herz zusammen. Aber es war natürlich Danilo, der in den Raum stieg. Im Mondlicht war er ein Schattenriss vor dem Fenster. Er streifte sein Hemd über den Kopf und ich erahnte zum ersten Mal seine kräftigen Arme und seinen Körper. Der

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