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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Mädchen hier müssten sich doch alle um den reichen Gutssohn reißen.“
    Simeon lachte. Es war ein warmes, tiefes Lachen, von dem ich mich nicht verspottet fühlte. „Aber Danilo reißt sich nicht um sie. Und auch Jovan hält von den Mädchen im Dorf nicht viel.“
    Aber von der Tochter eines Trinkers? , dachte ich im Stillen.
    „Jovan entscheidet stets von einem Tag zum nächsten“, fuhr der Alte fort. „Und auf dem Weg von Ungarn nach Hause hat er eben beschlossen, eine Braut für seinen Sohn heimzuführen. Es war an der Zeit und die Gelegenheit war günstig. Es stört ihn nicht, dass du eine Fremde bist. Und auf Gut und Geld anderer gibt er nichts. Er hat selbst mehr als genug davon.“
    Nun, dass es Jovan nicht störte, eine Fremde als Schwiegertochter zu haben, konnte auch bedeuten, dass er keine männlichen Verwandten zu fürchten hatte, die meine Rechte verteidigen konnten.
    „Und die Kammer im Haus“, wagte ich mich weiter vor, „all die Bilder und Stoffe, die stammen doch von der türkischen Seite.“
    „Dieses Dorf hier war lange Zeit Teil des Osmanischen Reiches“, erklärte Simeon geduldig. „Du wirst hier so einiges finden, was an diese Zeit erinnert. Aber du hast gut beobachtet: Jovan ist ein Mensch, der es versteht, auf beiden Seiten der Militärgrenze zu leben. Bis heute sind ihm türkische Handelspartner ebenso lieb wie das Wiener Heer, wenn nur die Preise für seine Waren stimmen.“
    Zumindest den letzten Teil der Antwort glaubte ich ihm aufs Wort.
    „Danilo ... er ist anders“, sagte ich.
    „Oh ja“, bestätigte Simeon ernst. „Wenn Jovan ein reißender Fluss ist, dem kein Hindernis zu groß ist, dann ist Danilo ein See, tief und unergründlich.“
    Ich leckte mir nervös über die Lippen. „Und seine Mutter? Die tote Herrin, deren Kleider ich tragen muss? Warum starb sie?“
    Simeon seufzte. Er schien damit zu ringen, ob er mir eine Antwort geben sollte. Aber bevor ich ihn an sein Versprechen erinnern konnte, kam er wohl zu dem Schluss, dass ein Name kein Geheimnis war.
    „Marja“, sagte er. Es klang, als hätte er diesen Namen schon oft ausgesprochen. Ein weicher Ton lag darin, wie bei einer Melodie. „Sie war schön und gut wie ein Engel. Sie tanzte und lachte gerne. Aber sie wurde sehr plötzlich krank und starb jung. Sprich ihren Namen niemals in Jovans Gegenwart aus. Er erträgt es nicht, weil er ihren Tod nie verwunden hat.“ Simeon lächelte und strich Vetar die Stirnlocke glatt. „Sie liebte die Pferde ebenso sehr wie er. Und dich hätte sie sicher gerne an der Seite ihres Sohnes gesehen, Jasna.“
    Marja. Verstohlen fuhr ich mit den Fingerspitzen über den grauen Stoff meines Kleides. Der Schatten, der eben noch auf meiner Seele gelegen hatte, wurde heller und löste sich für einige Augenblicke ganz auf. In Gedanken stellte ich mir eine schöne, ernste Frau vor – geheimnisvoll und mit hellem Haar, ein wenig wie Nevena. Namen haben eine ganz eigene Macht über uns, das lernte ich an diesem Morgen.
    „Es war nicht recht von Jovan, euch junge Leute einzuschließen“, sagte Simeon so laut, als wollte er die Erinnerungen vertreiben. „Du bist jetzt die Domačica , du musst auch die Schlüssel bekommen. Ich werde mit Jovan reden.“ Und dann legte er mir mit einer Behutsamkeit, die ich nur von Frauen kannte, die Hände auf die Schultern. Seine Augen waren wolkengrau wie ein Winterhimmel, nur die Kälte fehlte ihnen ganz und gar. Jetzt, da ich Simeon zum ersten Mal so dicht gegenüberstand, glaubte ich einem jüngeren Mann ins Gesicht zu sehen. An einer Stelle mit unregelmäßigem Bartwuchs entdeckte ich eine alte, schon blasse Narbe, die sich quer über die Kehle zog. Ich hätte ihn gerne gefragt, von welchem Kampf sie stammte, aber irgendetwas sagte mir, dass er mir diese Frage nicht beantworten würde.
    „Ich weiß, dass du weglaufen wolltest, Jasna“, fuhr er so leise fort, dass ich seine Worte nur wie einen Widerhall seiner Gedanken hörte. „Du bist mit einem Entschluss schnell bei der Hand. Doch dabei gleichst du einer Flamme, die sich selbst verzehrt, wenn sie im Wind zu hell lodert. Allerdings bist du auch klug genug, um zu wissen, dass der Wind auf der Flucht schnell zum Sturm werden kann, der dich verlöschen lässt. Denke von nun an daran: Es geht nicht nur um dich, es geht um die Zukunft des Hauses. Jovans Haus ist leer, du hast es ja selbst gesehen. Wir Alten werden nicht ewig leben und Jovan braucht einen Erben für die drei Türme. Er ist kein

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