Totenbraut (German Edition)
Bewohner ständig zur Flucht bereit. Vielleicht waren sie das auch , dachte ich bei mir – wer wusste schon, wie es sich vor dem Friedensschluss in diesem Gebiet gelebt hatte, in dem osmanische Soldaten und das Kaiserliche Heer von Österreich um die Grenzen ihres Reiches kämpften? Andere Häuser schienen neuer zu sein, als hätten ihre Besitzer mehr Vertrauen in die Zukunft des Dorfes. Aber immerhin waren alle anständig hergerichtet. Und auch die Obstbäume und Kräutergärtchen wurden gehegt und gepflegt. Mit nervösen Fingern zupfte ich mein Kopftuch zurecht und betrat mit weichen Knien einen schlammigen Weg voller Räderspuren. Hunde begannen zu bellen, und wie überall liefen auch hier sofort die Kinder zusammen. „Die fremde Frau!“, kreischten sie und sprangen auf mich zu, um gleich wieder schüchtern zurückzuweichen. Fensterläden gingen auf, Frauen traten mit verschränkten Armen und schmalen Augen an die Türen. Ihre Tracht war mir fremd und vertraut zugleich. Die Blusen waren weiß, rote Schleifenbänder zierten die Ärmel. Die Röcke waren aus grobem Stoff, dunkelrot, schwarz und braun gestreift. Schürzen, Strümpfe und die bestickten Jelek -Westen waren schwarz, mit roten oder bunten Blumen bestickt. Und die Opanken aus hellbraunem Leder waren an den Spitzen aufgebogen. Natürlich wussten diese Frauen längst, wer ich war, und kannten sicher auch schon die Geschichte meiner Ankunft und Heirat. Ich grüßte freundlich und versuchte mir meine Anspannung nicht anmerken zu lassen. Inzwischen folgte mir schon eine ganze Traube von Kindern. Und auch einige Mädchen, nicht älter als ich, tuschelten in der Nähe und musterten mein graues Kleid.
Die Kirche war winzig, kaum größer als eine kleine Scheune und viel zu niedrig für ein Gotteshaus. Aber immerhin war sie aus Steinen erbaut. Allerdings fehlte der Glockenturm, nur an einem Holzgalgen neben dem Gebäude baumelte eine große Handglocke. Entschlossen trat ich zur Tür, als sie gerade aufschwang. Doch aus der Kirche trat nicht der Pope, der mich getraut hatte. Dieser Mann hier war ein Berg. Sein runder Kopf saß auf einem viel zu kurzen Hals. Buschige weiße Brauen standen wie gerade Balken über kohlschwarzen, strengen Augen. Ein Diakon ? , schoss es mir durch den Kopf. Oder ein Gehilfe? Verwirrt wich ich zurück. Nein, dieser Mann war tatsächlich der Priester. Sein Gewand spannte sich wie Trommelleder über der breiten Brust.
„Ach, sieh an“, sagte er mit tiefer, kräftiger Stimme, „die Donaselica. “
Das Wort schmerzte wie ein unerwarteter Hieb. Ja, es stimmte, ich war die Angesiedelte – aber es gab freundlichere Ausdrücke dafür als diesen. Eine Donaselica war eine, die nicht freiwillig gekommen war und keine Rechte hatte. Die Mädchen in der Nähe kicherten.
„Jasna heiße ich, Hochwürden“, erwiderte ich höflich. „Die Tochter von Hristivoje Alazović und die Frau von Danilo Vuković. Ich ... wollte zu dem Priester, der unsere Ehe gesegnet hat.“
Die buschigen Brauen wurden zu einem einzigen zornigen Strich.
„Dann bist du im falschen Dorf.“
Das sehe ich auch , dachte ich grimmig.
„Geh doch ins Dorf Kuklina oder gleich nach Jagodina!“, schlug eines der Mädchen vor. „Dein Priester stammt bestimmt von dort. Man sagt, der aus Kuklina würde sogar den Teufel mit einer Türkin verheiraten!“
Gelächter umfing mich, doch der Pope blieb ernst und starrte mich weiter an, als wäre ich eine Sünderin und er Gottes Richter. Langsam dämmerte mir, dass der Holzfäller vielleicht doch Recht gehabt hatte. In diesem Augenblick wäre ich sogar froh gewesen, ihn an meiner Seite zu haben.
„Dann hat meine Ehe eben einen anderen Priester gesegnet, Hochwürden“, sagte ich. „Aber Euer Dorf ist dennoch das richtige. Ich komme zum Gottesdienst.“ Ich wünschte, meine Stimme hätte nicht so sehr gezittert.
„Ach ja?“, entgegnete der Pope lauter als nötig. „Diesen Tag sehe ich nicht gekommen. Geh heim, Frau.“
Nun schwiegen die Mädchen und sogar die Kinder wie gebannt. Schafe blökten in der Ferne und irgendwo bellte ein Hund. Ein braunhäutiger Mann, der aussah wie aus einer knorrigen Wurzel geschnitzt, trat hinzu und stützte sich auf einen Spaten auf. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er gleich damit gedroht hätte, mir den Spaten über den Schädel zu hauen.
„Warum sollte ich nicht in Eure Kirche gehen, Hochwürden?“, fragte ich ruhig. „Das Haus Gottes steht doch allen offen, oder nicht?“
„Allen
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