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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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zünde sie für dich vor den Ikonen an.“
    Ich war nicht einmal fähig, mich zu bedanken. Die Frau nahm mir die Kerze aus der Hand und eilte als Letzte in die Kirche. Die Tür fiel zu und ich blieb allein zurück – mit Hundegebell und dem Meckern von Ziegen, die irgendwo in der Nähe weideten. Der Duft der Pflaumenblüten war betäubend stark und die Sonne brannte auf mein Gesicht. Was hast du bloß getan, Marja? , dachte ich. Was ist auf dem Gut gesche hen?
    „Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!“, schreckte mich eine spöttische Stimme auf.
    Der Holzfäller lehnte an dem Pflaumenbaum in der Mitte des Kirchplatzes. Immer noch sah er wüst aus, aber er hatte den gröbsten Schmutz vom Gesicht gewaschen und sich das nasse Haar mit den Fingern aus der Stirn gekämmt. Und jetzt fiel mir auch auf, dass er an einem Lederband ein klobiges, allzu grob geschnitztes Holzkreuz um den Hals trug. Als er in die Sonne trat und auf mich zukam, stellte ich fest, dass er nicht älter als siebzehn oder achtzehn Jahre war. Sein Gang war geschmeidig und lautlos wie der eines Luchses. Und er hatte sich ganz sicher um ein Mädchen geprügelt, denn abgesehen von der geschundenen Lippe und einigen Schrammen war sein Gesicht von einer wilden Schönheit. Solche Sänger verdrehten den Dorfmädchen den Kopf und waren bei den Burschen nicht gerne gesehen.
    „Ist das Kuchen?“, fragte er und streckte die Hand nach meinem Korb aus.
    „Nicht für dich!“, entgegnete ich hart und presste den Korb an mich. „Für den Priester.“
    Das schallende Lachen des Kerls vermischte sich mit dem Liturgiegesang, der nun dumpf durch die geschlossene Kirchentür drang.
    „Der gerechte, strenge Milutin wird eher verhungern, als etwas von dir anzunehmen“, spottete er. „Aber wenn dir so viel daran liegt, zu den Ikonen zu kommen, leihe ich dir gerne meine Axt. Die Tür da taugt nicht besonders viel.“
    „Ich werde durch eine offene Tür gehen wie jeder andere auch“, stieß ich hervor.
    „Stur bist du also obendrein, was?“ Er versuchte sich an einem Pfiff, doch offensichtlich hatte er seine geschundene Lippe vergessen, denn er verzog das Gesicht vor Schmerz.
    „Und wer bist du überhaupt?“, fuhr ich ihn an. „Du gehörst doch zum fahrenden Volk.“
    „Scharf beobachtet, Ljubica .“
    „Ich bin nicht dein Liebchen, du Flegel!“
    „Dann eben: ehrenwerte Gräfin Vuković!“ Der Bursche deutete eine spöttische Verbeugung an. Dabei musterte er mich in einer Weise, die seine scherzhaften Worte Lügen strafte, und ich dachte mir, dass dieser Mann bei Weitem nicht so harmlos war, wie er sich gab.
    „Dušan, der Holzfäller“, stellte er sich mir schließlich vor. „Derzeit hause ich in einer der Flößerhütten – ein Stück südwärts den Fluss entlang. Komm mich doch besuchen, wenn der Pope dich das nächste Mal zum Teufel jagt.“
    Er grinste und wandte sich zum Gehen. Der Falbe, der mit aufgestütztem Hinterhuf am Rand des Kirchplatzes wartete, spitzte die Ohren und schnaubte seinem Herrn erwartungsvoll entgegen. Vielleicht war es das Zutrauen des Pferdes, das mich dazu bewog, den Mann aufzuhalten.
    „He!“
    Dušan wandte sich um, als hätte er nur darauf gewartet, und verschränkte die Arme. „Was denn noch, Gräfin?“
    Ich schluckte meinen Ärger herunter und bemühte mich um einen freundlichen Tonfall.
    „Du bist doch schon länger in der Gegend, nicht wahr?“ „Nicht sehr viel länger als du, aber lange genug, um zu wissen, mit wem man sich hier besser nicht anlegen sollte.“ „Hast du gehört, was die Leute hier über das Gut reden?“ „Klar. Aber was bekomme ich dafür, wenn ich es dir sage?“
    Ich schlug das Tuch im Korb auf und brach ein Stück von dem Zopfkuchen ab. Dušan kam zurück und nahm es mir aus der Hand. Ich bemerkte, dass seine Augen im Licht der Maisonne blassgolden und grün zugleich waren. Es machte mich verlegen, dass auch er mein Gesicht prüfend musterte.
    „Also?“, fragte ich.
    Statt zu antworten hielt er sich das Stück Kuchen unter die Nase und zog genießerisch den Duft ein. Auch ich nahm das Aroma von Rosinen und Butter wahr und merkte plötzlich, wie hungrig ich war. Ich wunderte mich, dass Dušan den Kuchen nicht gleich aß, sondern ihn unter seine viel zu weite Jacke schob.
    „Sie sagen, auf dem Gut gingen böse Geister um“, erklärte er dann. „Und sie sagen, die Frau des Gutsbesitzers habe ihn seinerzeit verhext. Sie war wohl nicht sehr beliebt im Dorf, na ja, du weißt ja, wie

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