Totenbraut (German Edition)
Gesicht. Einer Fratze. Einem Toten vielleicht oder einer Seele, die mir Böses will.“
Seine Hand schnellte vor. Ich erschrak, als er mich am Handgelenk packte.
„Böses?“ Er spuckte mir das Wort voller Verachtung vor die Füße. „Was bist du? Eine abergläubische Bäuerin? Eine dieser verfluchten Dorfhexen? Eine, die betet und kriecht und hinter jedem Krug verschütteter Milch den Teufel vermutet?“
„Ich habe aber etwas gesehen!“ Ich schrie fast und stemmte mich mit aller Kraft gegen seinen Griff.
„Niemand spukt hier, dummes Weib!“
Mit einem energischen Ruck machte ich mich los. Mein Handgelenk brannte, aber ich spürte es kaum.
„Du bist es doch, der an Glück und Unglück glaubt!“, fauchte ich. „Also wer ist hier der abergläubische Dummkopf ?“
Ich war sicher, mir für diese Worte eine Ohrfeige einzufangen, aber Danilo fluchte nur und trat mit aller Kraft gegen das Tor.
„Mein Vater kann mich zwingen, das Bett mir dir zu teilen“, fuhr er mich an. „Aber er wird mir nicht befehlen, mit dir zu reden, also bleib mir vom Leib!“
Er spuckte aus und ging wütend davon.
Ich war zu stolz, um es vor mir selbst zuzugeben, aber in dieser Nacht würgte ich an meinem Heimweh ebenso wie an meiner Wut. Danio kam nicht in die Kammer. Und als ich vor Sonnenaufgang aus dem Fenster blickte, sah ich, wie er sein Pferd zum Galopp antrieb und davonritt, als würde er vor mir fliehen.
Totenhochzeit
I
ch entdeckte die Tulipane an einem Sonntagmorgen, auf meinem ersten Gang zum Dorf. Sie wuchsen etwas abseits der Türme, unterhalb des Hügels, gelbe Flecken im Morgennebel, zarte Gebilde zwischen stacheligem Weißdorn und namenlosem Gestrüpp.
Lange vor Sonnenaufgang war ich aufgestanden und hatte im Türkenzimmer den Tisch für die Männer gedeckt. Zum Zeichen, dass ich zur Kirche gegangen war und wiederkommen würde, hatte ich Kerzen mitgenommen und ließ Teig in einer Schüssel stehen, um ihn am Abend auszubacken. Ich hatte mir einen Trachtengürtel und eine Schürze über Marjas graues Kleid gebunden. Und da eine verheiratete Frau ihr Haar nicht offen trug, hatte ich es geflochten und mir ein besticktes Tuch um den Kopf gebunden. In einem Korb trug ich meine Geschenke. Darunter waren ein Zopfkuchen, dazu Butterfladen und eine Flasche Rakija. Einen kleinen Krug hatte ich zudem mit dem Wasser der weinenden Jelena gefüllt.
Die Tulipane schienen mir im Morgenwind zuzuwinken und ich betrachtete sie eine ganze Weile. Ich stellte mir vor, dass es Marja gewesen war, die die Blumen hier eingepflanzt hatte, um sie vom Jelena-Turm aus betrachten zu können.
Ich ging zu dem Flecken hinüber, pflückte fünf von ihnen und fasste sie zu einem goldenen Strauß zusammen.
Der felsige Weg führte seitwärts vom Gut bergab und dann Richtung Norden. Das Land war wild und dennoch schön. Veilchen blühten überall, Mohn und Kamillenblüten säumten den Weg. Die Sonne erhob sich schon rosenfarben und leuchtend, als ich von Weitem den Galgenbaum erblickte. Bedrohlich schienen sich seine Äste in den hellen Himmel zu krallen. Doch es war nicht nur dieser Anblick und der zerfaserte Galgenstrick am untersten Ast, der mich zögern ließ.
Jemand hockte direkt unter dem Baum! Ein schlanker Mann saß mit gesenktem Kopf da, die Arme auf den Knien abgestützt. Welcher Verrückte rastete an einem Kreuzweg? Nicht weit entfernt, etwas abseits vom Wegrand, stand ein armseliger Karren. Der helle Falbe, der davorgespannt war, sah aus wie eine Heuschrecke: lange Beine, doch kein Fleisch auf den Rippen. Als ich näher kam, erkannte ich aufgestapeltes Holz und eine gut verschnürte Axt. An der Seite war der Karren mit Augen bemalt. Zigeuner schmückten manchmal ihre Wagen mit solchen Malereien, um ihr Hab und Gut vor dem bösen Blick zu schützen. Der Mann gehörte ganz offensichtlich nicht zum Dorf und auch nicht zu den Walachen, den Wanderhirten. Er war einer von denen, die von Arbeit zu Arbeit und von Dorf zu Dorf zogen, vermutlich ein Holzfäller. Ich ging weiter. Vor Äxten und Wanderleuten hatte ich keine Angst. Und eine volle Flasche war, wenn es sein musste, ein guter Knüppel.
Als er meine Schritte hörte, hob der Mann den Kopf und starrte mir entgegen. Es war ein junger Kerl, doch sein Gesicht war zu schmutzig, um sein Alter genau schätzen zu können. Seine Lippe war blutverkrustet und die Wangen mit Dreck beschmiert. Der ganze Mann wirkte schäbig und abgerissen, die Kleidung war ihm zu weit und er trug kein
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