Totenbraut (German Edition)
litten.
„Es gibt keine weiteren Schlüssel“, murmelte Jovan. „Und jetzt hör auf damit, Jasna.“
Die Treffen mit Dušan machten mich jedes Mal leichtsinnig. Wenn ich mit ihm gesprochen hatte, vergaß ich schnell, dass ich meine Zunge in der Gesellschaft meiner neuen Familie besser im Zaum halten sollte.
„Dann muss es wohl doch ein Spuk gewesen sein“, bemerkte ich spitz. Dieser Satz tat mir schon leid, als ich ihn aussprach. Aber ich hätte mir nicht träumen lassen, was mich nun erwartete.
Jovans Faust sauste auf den Tisch nieder. „Ich sagte, hör auf !“, schrie er mich aus heiterem Himmel an. „Hör auf, die Truhen auszuräumen und in der Vergangenheit herumzuwühlen. Hör auf, zu diesem Popen zu rennen und deine Zeit im Dorf zu verschwenden! Die einzige Nachricht, die ich von dir hören will, ist, dass du schwanger bist. Warum warten wir noch darauf ? Warum, Jasna?“
Entsetzt starrte ich ihn an. Noch nie hatte er mich so unfreundlich behandelt. Und noch nie so direkt ausgesprochen, was ich jeden Tag deutlicher spürte: dass ich meinen Teil des Vertrags noch nicht erfüllt hatte.
„Seit Monaten bist du schon hier“, sagte Jovan. „Du isst mein Brot und teilst mit meinem Sohn das Bett. Und nicht das kleinste Anzeichen, nichts! Wo ist mein Enkel, zum Teufel?“ Ein heißer Knoten ballte sich in meinem Magen zusammen, als ich in Jovans fordernde Augen blickte. „Antworte mir, Tochter.“
„Lasst sie, Vater“, sagte Danilo barsch. „Das ist meine und Jasnas Angelegenheit.“
„Eure Angelegenheit, ja? Weißt du, was ich manchmal glaube? Dass ihr beide mich betrügt.“
Ich hielt erschrocken den Atem an. Er weiß, dass Danilo nicht mit mir schläft , dachte ich. Er hat es durchschaut.
Danilo machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch Simeon kam ihm zuvor.
„Um Himmels willen, Jovan, lass doch die jungen Leute!“, knurrte er. „Dass der Tabak verdorben war und wir ihn nicht verkaufen konnten, ist doch kein Grund, die beiden so anzuschreien.“
Ich war davon überzeugt, dass der Streit gerade erst begonnen hatte, aber Jovan nahm einen Schluck Wein und nickte. Mit einem Mal sah er nur noch niedergeschlagen aus. Dann überraschte er mich mit einem entschuldigenden Lächeln. „Verzeih mir, Jasna. Simeon hat Recht: Die Geschäfte liefen nicht gut und wir sind alle müde.“
Aber selbst ich begriff, dass es hier ganz sicher nicht um schlechte Geschäfte ging.
Nichts wurde besser in den kommenden Tagen. Jovans Schwermut schien sich auf Nema und Simeon zu übertragen. Als läge ein Trauerschleier über dem ganzen Gut, sprach keiner ein lautes Wort. Nur Danilo und ich gerieten wegen des Hundes aneinander. Er mochte das Tier vom ersten Augenblick an nicht und wollte es nicht auf dem Hof haben. Doch ich weigerte mich, den Hund wieder wegzugeben, und ließ mich auch durch Danilos Zorn nicht einschüchtern. Zu meiner eigenen Überraschung gab er sich schließlich geschlagen. Simeon schüttelte zweifelnd den Kopf, als er sah, wie der Hund mit wehenden Ohren vor einem galoppierenden Fohlen flüchtete. „Wie willst du ihn nennen?“, fragte er mich. „ Šišmiš vielleicht – Fledermaus? Oder doch lieber Kukavica – Feigling?“
„Er heißt Sivac“, antwortete ich würdevoll.
Ich malte dem Hund mit weißer Farbe ein zweites Augenpaar auf die Stirn, das Dämonen und Vampire vom Hof fernhalten sollte. Aber seit ich den Bann über Marja gesprochen hatte, schien tatsächlich Ruhe eingekehrt zu sein. Stille lastete auf den Sommernächten. Nur manchmal zuckte Sivac mitten am Tag aus dem Schlaf hoch und blickte knurrend und mit gespitzten Ohren zur Tür, als würde er erwarten, gleich ein Klopfen zu hören. In solchen Momenten ahnte ich, dass ein Bannkreuz nicht genügt, um die Toten auszuschließen. Sie finden den Weg zu uns, auch wenn wir die Tür noch so gut verriegeln.
Mit Fasten bereitete ich mich auf das Fest des Entschlafens der Gottesmutter vor und entzündete Kerzen im Jelena-Turm und in der Türkenkammer. Wir beteten an den Marientagen vor den Ikonen. Doch als wir das Ende der zwei Fastenwochen feierten, rührte Nema das Fleisch und das Schmalzgebäck nicht einmal an.
Der Hass zwischen Vater und Sohn schien in der trockenen Augusthitze besonders gut Feuer zu fangen. Bald fielen scharfe Worte, kein Tag verging ohne Streit. An manchen Abenden trank Danilo zu viel und ich fürchtete mich in den Nächten, dass er mir zu nahekommen würde. Doch er hielt sich weiter von mir
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