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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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fern, und ich wagte nicht zu fragen, warum er seinem Vater nicht gehorchte. Über uns beiden hing Jovans Schwert. Oft dachte ich daran, ins Dorf zu gehen, um vielleicht Dušan oder der Witwe zu begegnen. Auch wenn mir der Gedanke nicht behagte, dass die beiden sich so gut kannten, konnte ich es kaum erwarten, mich bei Anica für den Hund zu bedanken. Bisher hatte ich sie für das gemocht, was mich bei ihr an Nevena erinnerte. Nun aber fühlte ich mich ihr nah, weil ihr Schicksal meinem eigenen glich. Ich grübelte darüber nach, ob Dušan immer noch gekränkt war, und musste mir eingestehen, dass mir die Begegnungen mit ihm fehlten und ich mir wünschte, ihn wiederzusehen. Aber ich wagte es in diesen Wochen nicht, den Hof zu verlassen.
    Am Tag nach dem Marienfest kamen Jovan und Simeon in den Stall, wo ich im Verschlag neben der Tür nach dem Melken bei den Ziegen sitzen geblieben war. Ich duckte mich und wartete, bis sie die zwei Stuten, die sie führten, zusammen mit den beiden Fohlen in den hinteren Teil des Stalls gebracht hatten. Eben wollte ich ungesehen hinaus huschen, als Jovan zu sprechen begann.
    „Sieh dir das an“, sagte er bitter. „Fohlen haben wir genug.“
    „Noch ist nichts verloren“, beschwichtigte ihn Simeon. „Hab Geduld.“
    „Geduld?“, brauste Jovan so plötzlich auf, dass ich zusammenzuckte.
    Ich drückte den Milcheimer an mich und hielt den Atem an. Eine Ziege knabberte an meiner Schürze und ich schob sie mit dem Knie weg.
    „Der Tod klopft jedes Mal lauter an unsere Tür, die Tage laufen uns davon, Simeon!“ Die dumpfe Verzweiflung in Jovans Stimme war mir neu und erschütterte mich. Ich wusste, ich hörte hier etwas Verbotenes, aber ich war unfähig, mich von der Stelle zu rühren.
    „Der Tod klopft an, ja, aber geht auch wieder fort.“ Simeon redete sanft, nachsichtig wie ein gütiger Vater, der seinen Sohn beschwichtigen will. „Wir haben schon Schlimmeres überstanden, Jovan. Und Gott vergibt. Glaub mir, er sieht in dein Herz und vergibt.“
    Ich richtete mich kerzengerade auf. Mein Herz raste inzwischen so sehr, dass das Blut in meinen Ohren rauschte. Was hatte Gott Jovan zu vergeben? Marjas Tod? Ich erinnerte mich an die Fratze am Fenster und fragte mich, ob es in Wirklichkeit Jovan war, den sie heimsuchte.
    Als mein Schwiegervater wieder zu sprechen begann, klang seine Stimme brüchig und tonlos wie die eines alten Mannes. „Manchmal denke ich, nicht nur Gott straft mich, sondern auch der Teufel ist mir auf den Fersen. Und er holt auf, Simeon. Er holt auf !“
    „Hör auf dich zu quälen! Denk an die Zukunft statt an die Vergangenheit. Geh endlich zum Kommandanten und bringe ihm den Jährling. Reite heute noch los! Ein Tag weit fort von den Türmen wird dir guttun. Mach deinen Handel und überlasse alles andere Gott und nicht dem Teufel.“
    „Und was ist, wenn Jasna gar keine Kinder bekommen kann?“, fragte Jovan. „Was, wenn der Teufel längst mit mir sein Spiel treibt?“
    „Unsinn!“, wies Simeon ihn so barsch zurecht, dass ich nur zu gut seine eigene Sorge heraushören konnte. „Du hast deine Schwiegertochter gut gewählt. Ihre Mutter hatte nur Töchter. Du weißt, das bedeutet, dass jede dieser Töchter nur Söhne gebären wird.“
    Ich wartete kein weiteres Wort ab, sondern flüchtete ins Freie.
     

     
    Der Traum überraschte mich in der Nacht, als das erste Sommergewitter nach zu vielen heißen Tagen über den Türmen niederging. Vergeblich hatte ich auf Danio gewartet, während tausend Fragen in meinem Kopf wirbelten. Doch schließlich hatte das Trommeln des Regens mich in einen unruhigen Schlaf begleitet. Nun flackerten Bilder, von Blitzen erhellt, hinter meinen geschlossenen Lidern. Ich sah Mohnblüten und die Jelena-Quelle, die übersprudelte. Die Farbe des Mohns spiegelte sich in ihrem Wasser und ließ es rötlich glänzen. Über dem Schwarzen Turm kreiste ein Schwarm Raben. Sie stießen herab, ließen sich im Gras nieder, und ich erkannte voller Schrecken, dass es mein eigenes Grab war, auf dem sie hockten. Ihr Gewicht drückte mir auf die Brust. Ich wollte sie verscheuchen, aber meine Hände waren verdorrte Wurzeln, tief in der Erde vergraben. Im Schlaf hörte ich mich selbst wimmern, doch alle meine Versuche, den Traum abzuschütteln, waren vergebens. Halb schlafend, halb wachend lag ich da, ohne mich bewegen zu können. Nur eines spürte ich mit erschreckender Klarheit: Etwas Schweres kauerte auf meiner Brust und drohte mich zu ersticken. Mein

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