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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Herzschlag hallte mir dumpf wie Hufschlag in den Ohren. Und ich versuchte so sehr, einen Schrei aus meiner Brust zu pressen, dass mein schreckstarrer Körper sich noch mehr verkrampfte.
    „Jasna“, hauchte mir jemand sanft ins Ohr. Worte wie Wind, zärtlich und kühl. Ein ersticktes Schluchzen stieg in meiner Kehle auf. Bela! Mein Herz machte einen Satz und begann dann noch schneller zu rasen. Jetzt sah ich auch ihr Leuchten, das durch meine geschlossenen Lider drang. „Wach auf, Jasna!“, flüsterte sie. Und noch während ich staunte, dass meine Schwester zum allerersten Mal in ihrem Leben in klaren Worten zu mir sprach, flatterten ihre kühlen Finger zart wie Schmetterlingsflügel über meine Stirn. Mit einer tieferen, ernsteren Stimme raunte sie: „Jemand ist hier!“ Der Druck wich von meiner Brust, alle Spannung fiel ab. Mit einem Keuchen fuhr ich hoch, rutschte über die Bettkante und fiel.
    Der Aufprall holte mich endgültig in die Wirklichkeit zurück. Ich riss die Augen auf und erkannte, dass ich allein in der Kammer war. Das, was ich für Belas Leuchten gehalten hatte, war die Morgendämmerung, doch kein einziger Vogel sang. Zitternd kam ich auf die Beine und tappte mit weichen Knien zum Fenster, um Luft zu schnappen.
    Nebel hüllte den Waldrand in Schleier und lag wie eine dichte Decke über der Weide. Beinahe hätte ich mich wieder abgewandt, als ich etwas bemerkte, was mir einen Schauer über den Rücken jagte. Direkt unter dem Fenster, am Fuß des Turms, saß ein riesiger, hellgrauer Wolf und sah zu mir hoch. Ich sah blassgelbe Augen und eine Hühnerfeder, die an seinem buschigen Brustfell hing. Er leckte sich über die Lefzen, und ich hatte den Eindruck, dass er mich triumphierend musterte. Plötzlich aber fuhr er herum, als hätte ein Ruf ihn aufgeschreckt, und jagte in Richtung Wald davon. Weit draußen, dort, wo der Bach am Waldrand entlangfloss, glaubte ich eine Gestalt auszumachen. Ich sah sie nicht deutlich, aber es schien mir, als würde sie zu den Türmen herüberblicken. Ich blinzelte und sah genauer hin, doch der Nebel hatte sie bereits verschluckt.
     

     
    Ich stolperte fast über die Schwelle, als ich mit einem Stock in der Hand ins Freie rannte. Ich rief nach dem Hund, doch kein Bellen antwortete mir. Der Hühnerstall war beschädigt und überall lagen Federn. Beinahe wäre ich über die Reste eines Huhns gestolpert. Als ich beim Stall ankam, völlig sicher, Sivac mit aufgerissener Kehle vorzufinden, erstarrte ich. Die Stalltür stand weit offen! Und ein ganzes Stück vom Stall entfernt drängten sich wie Gespenster, die im Nebel trieben, die schwarzen Stuten.
    „Simeon!“, brüllte ich. „Wölfe! Diebe!“
    Die Stuten schreckten auf und liefen auseinander. Schnaubend wichen sie zurück, äugten und schüttelten die Köpfe. Ich entdeckte auch Vetar unter ihnen. Sogleich stürzte ich zu ihm und packte sein Halfter. „Dummkopf !“, schimpfte ich, während ich ihn in den Stall zurückführte. „Warum bleibst du nicht dort, wo es sicher ist?“
    Ich rannte zurück und versuchte die anderen Pferde einzufangen, doch sie wichen mir aus. Es gelang mir dennoch, eine der jungen Stuten am Halfter zu fassen. Als sie zur Seite scheute, stolperte ich und stützte mich an ihrem Hals ab. Meine Finger streiften eine mit Schorf verkrustete Wunde unterhalb ihrer Kehle, so groß wie mein Daumennagel. Ich stutzte. Wie ein Blitz flammte die Erinnerung an eine andere, erstaunlich ähnliche Wunde an Vetars Hals auf.
    „Jasna?“ Simeon stürzte auf mich zu.
    „Da war ein Wolf !“, stammelte ich. „Er war bei den Hühnern. Aber er hätte die Fohlen reißen können! Wo ist Sivac?“ Meine Stimme überschlug sich.
    Schritte erklangen, dann war auch Nema bei uns. Sie riss die Augen auf, als sie mich sah – im Nachtgewand, nur eine von Danios Jacken hatte ich mir übergezogen.
    „Such den Hund!“, bat ich sie. „Er ist bestimmt verletzt – er hat nicht angeschlagen!“ Ich musste sehr verzweifelt klingen, denn Nema hastete sofort davon.
    Simeon betrachtete prüfend das Schloss. „Es ist nicht aufgebrochen“, murmelte er. „Aber ich bin sicher, dass ich den Stall abgeschlossen habe.“
    Mindestens drei Hühner waren dem Wolf zum Opfer gefallen, die restlichen hatten sich hinter den Stall oder auf die Weide geflüchtet. Doch tausendmal schlimmer war ein anderer Verlust: Vier Stuten fehlten.
    „Hoffen wir, dass sie nur weggelaufen sind“, sagte Simeon. Doch wir wussten beide, dass Pferde sich

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