Totenbraut (German Edition)
nicht von der Herde trennen und kein Dieb einen Stall öffnet, um die Beute dann zurückzulassen.
Ich platzte damit heraus, dass ich eine Gestalt gesehen hatte, und Simeon nickte grimmig. „Dann ist er noch nicht weit. Fang du die Tiere ein.“ Er holte sein Gewehr, schwang sich ohne Sattel auf sein Pferd und galoppierte in Richtung Waldrand davon.
Nieselregen kühlte mein Gesicht und durchweichte mein Haar, doch ich merkte nicht, dass die Kleidung mir am Körper klebte, während ich eine Stute nach der anderen holte. Und immer wieder rief ich leise nach Sivac. Bitte lass ihn nicht tot sein , betete ich im Stillen.
Die Sonne ging schon auf, als Simeon zurückkehrte. „Es hilft nichts, der Kerl war offenbar schnell!“, rief er mir zu. „Ich reite zum Regiment und hole Jovan zurück. Mach dir keine Sorgen, Jasna. Die Stuten sind noch nicht verloren.“
Ich sagte ihm nicht, dass es die Sorge um Sivac war, die mir das Herz zusammenkrampfte. Tropfnass und mit durchweichten Opanken stolperte ich müde und mutlos durch das nasse Gras und verfluchte Danio dafür, dass er ausgerechnet heute nicht hier war. Gerade als ich die Tür zu unserem Turm öffnen wollte, spürte ich etwas Weiches unter meine Hand tauchen. Vor Erleichterung wäre ich beinahe in Tränen ausgebrochen. „Hast du dich versteckt, du Feigling?“, schalt ich Sivac. „Du sollst uns doch warnen!“ Ich drückte ihn an mich und vergrub das Gesicht in seinem Fell. Es war trocken und warm. „Wo hast du dich bloß verkrochen?“, murmelte ich. Im selben Augenblick fiel mein Blick auf Marjas Spiegel. Jemand hatte ihn sorgsam so neben die Schwelle gelegt, dass ich ihn entdecken musste. Das Herz wurde mir kalt, als ich ihn genauer betrachtete: Das weiße Bannkreuz war abgewischt worden und er war zerbrochen. Aber nicht so, als sei er zufällig zu Boden gefallen. Nein, die Spiegelfläche war sorgfältig und doch voller Wut in viele kleine Spinnennetze zerschlagen worden.
Nevenas Wahrheit
D
ie Knechte betrachteten voller Scheu das Schloss, das sich ohne Schlüssel scheinbar von selbst geöffnet hatte. Sie nickten wortlos, als ich sie bat, die Dorfbewohner bei ihrer Rückkehr vor Wölfen zu warnen, aber dann machten sie sich Hals über Kopf davon. Ich versuchte sie mit Drohungen zurückzuhalten, doch es half nichts. Ohne sich umzublicken, ließen sie Nema und mich mit der Arbeit allein zurück. Ich war froh, dass die Alte stumm war, denn sie rang ständig die Hände. Hätte sie sprechen können, hätte sie sicher ununterbrochen gejammert, während wir die Ziegen melkten. Sobald sie die Tiere aus dem Stall zur Weide geführt hatte, ging ich von Pferd zu Pferd, fuhr mit den Fingern an den Hälsen entlang, wühlte mich durch das schwarze Fell und entdeckte Wunden und Narben. Manche unter dem Fell fast unsichtbar, manche weißlich, kahle, gut verheilte Stellen über der pochenden Herzader – aber einige der Wunden waren auch so frisch, dass sie sofort wieder zu bluten begannen, als ich sie berührte. Sie glichen der Wunde, die ich am Morgen nach meiner Ankunft bei Vetar entdeckt hatte. Ich fragte mich, warum ich damals nicht sofort misstrauisch geworden war. Diese Art Wunde stammte ganz sicher nicht von Weißdorn oder Pferdebissen, sondern glich eher einem Stich. Als hätte diese Erkenntnis einem Funken gleich ein Licht in meinen Gedanken entzündet, fand ich immer weitere Bruchstücke eines Bildes: Jovan, dem seine schwarzen Rösser heilig waren. Die Schuld, die er mit sich herumtrug. Und Marja, die von den Dörflern dabei beobachtet worden war, wie sie Tierblut trank.
Sivac begann zu bellen, als ich aus dem Stall stürzte. „Nema!“, brüllte ich. Die Alte fuhr vor Schreck zusammen, drehte sich zu mir um und hob fragend die Brauen. Ich stürzte auf die Weide und packte sie am Arm. „Komm mit!“ Überrascht lief sie mir in den Stall hinterher, wo ich sie zu der Stute brachte.
„Da!“, sagte ich. „Eine Wunde! Fast jedes Pferd hat eine am Hals – die von dem Wallach da drüben ist ganz frisch. Jemand trinkt ihr Blut. Wer, Nema?“
Ich hätte die Alte nicht mehr überraschen können, wenn ich ihr eröffnet hätte, ein Werwolf zu sein. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Ihr faltiger Mund klaffte auf, als versuche sie etwas zu sagen, die Sehnen an ihrem Hals traten hervor. Du bist verrückt! , bedeutete sie mir.
„Da sind doch Narben und Wunden!“, rief ich verärgert. „Also lüg mich nicht an! Es ist Marja, hab ich Recht?“
Nema wich mit
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