Totenbraut (German Edition)
Entsetzen schritt er geradewegs zur Tür und hämmerte dagegen. „He! Marja Vuković!“, rief er. „Du hast Besuch!“
„Hör auf !“ Ich schrie fast. „Das ist kein Scherz!“ Meine Hände waren zu Fäusten geballt, am liebsten hätte ich auf Dušan eingeschlagen.
„Richtig vermutet also“, stellte er fest. „Und? Habt ihr geplaudert?“
Ich schüttelte den Kopf. „Einen Bann habe ich gesprochen, du Esel.“
Ich war sicher, er würde sich nun über mich lustig machen, aber er musterte mich nur mit einer Ernsthaftigkeit, die seine gauklerhafte Art Lügen strafte.
„Ich wünsche dir, dass dein Bann hilft“, sagte er.
Noch nie war mir so deutlich aufgefallen wie heute, dass dieser fahrende Holzfäller zwei Seelen in seiner Brust hatte. Ich fragte mich nur, welche von beiden dazu diente, den wahren Dušan zu verbergen.
„Bist du ... wirklich ein Subotan – ein Samstaggeborener?“, fragte ich. „Oder war das nur Aufschneiderei?“
„Ich bin es“, antwortete er gedehnt und verschränkte die Arme.
„Dann ... kannst du also wirklich Upire und Geister sehen?“
„ Upire nennst du sie? Hier heißen sie Vampire. Ja, man sagt, Leute wie ich hätten das Gespür dafür“, meinte er ausweichend. „Und vielleicht habe ich es ja. Aber ich bin noch nie im Leben einem Untoten begegnet. Was vielleicht mein Glück ist. Warum willst du das wissen?“
Ich leckte mir über die Lippen und zögerte, unschlüssig, ob ich ihn ins Vertrauen ziehen sollte. „Marja ... sie scheint noch hier zu sein“, sagte ich schließlich. „Dieser Turm ist ihr Grab. Ich glaube, sie verlässt es von Zeit zu Zeit. Denn ... jemand war in meinem Haus. Kannst du sie sehen? Oder spürst du ihre Gegenwart?“
Ich hatte gehofft, Dušan würde mir meine Angst nehmen, aber er hob nur die Schultern. „Hier sehe ich nur einen verkohlten Turm. Aber ich habe meine Axt dabei. Wenn du willst, können wir gerne nachsehen, ob sie sich darin versteckt.“
Ich stellte mir vor, was Jovan sagen würde, wenn er die Tür des Turms zertrümmert vorfände, und schüttelte den Kopf.
„Da drin ist nichts, ich habe nachgesehen. Nur Lehmboden und Taubendreck.“
Dušan legte den Kopf schief und musterte mich nachdenklich. „Da war jemand im Haus? Hm. Ich hatte stets von den Lebenden mehr zu befürchten als von den Toten. Vielleicht hat eure stumme Alte sich bei euch herumgetrieben?“
„Du bist mir ja eine große Hilfe“, murmelte ich und zupfte mir ein Blatt aus dem Haar. Aber seltsamerweise beruhigte mich seine Antwort. Vielleicht hat Nema doch noch einen Schlüssel? Ein Geist streift schließlich nicht am helllichten Tag herum.
„Vielleicht“, sagte ich.
Dušan verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. Die Stille zwischen uns dehnte sich, bis sie zu lange dauerte, doch keiner von uns senkte den Blick. Und ich stellte verwirrt fest, dass Dušans Lächeln irgendwo in meinem Inneren eine Sehnsucht weckte, an seiner Seite sorglos über das Gras zu laufen, getragen von den Liedern über ferne Abenteuer. Sei nicht dumm , schalt ich mich. Einer wie er macht jedem Mädchen schöne Augen.
Als hätte Dušan diesen Gedanken gehört, wurde er wieder ernst.
„Kopf hoch, Gräfin!“, sagte er, aber es klang nicht fröhlich, sondern beinahe abwehrend. Und als wären wir uns zu nahegekommen, drehte er sich um und ging zu seinem Pferd. Ich war überzeugt, er würde einfach aufsteigen und davonreiten, doch er band nur einen der Säcke vom Sattelhorn los. Als er sich umwandte, sah ich wieder den überheblichen Gaukler vor mir, der auf dem Weg ins Dorf so oft mit mir stritt.
„Den hier kannst du sicher gebrauchen“, meinte er und hob den Sack hoch. Etwas sehr Lebendiges begann darin zu zappeln. Flink löste Dušan den Strick und zog einen jungen Hund hervor – kein Welpe mehr, aber auch noch kein erwachsener Wachhund, ich schätzte, dass er vielleicht sieben oder acht Monate alt war. Er war schwarz wie Pech, mit Ohren wie eine Fledermaus, und strampelte in Dušans Armen. Mit der Pfote schob er dabei den linken Ärmel des Holzfällers zurück und ich sah Narben, die sich wie Armbänder um das Handgelenk schlossen.
„Na ja, der Schönste ist er nicht“, erklärte Dušan, der meinen Gesichtsausdruck wohl falsch deutete. „Aber du wolltest doch einen Wachhund. Und der hier ist besser als gar keiner.“ Er trat vor und legte mir den Hund einfach in die Arme. „Wäre es meiner, würde er Sivac heißen. Weil er eine graue Hinterpfote hat, siehst
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