Totenbraut (German Edition)
zu. „Ich habe Vetar gerade bei der Weide entdeckt – gesattelt und gezäumt graste er bei den Stuten. Da habe ich sofort die Stute geholt und wollte noch einmal losreiten, um dich zu suchen. Wo hat er dich abgeworfen? Geht es dir gut?“
„Er hat sich nur losgerissen“, sagte ich mit schwacher Stimme. „Und ich bin den ganzen Weg vom Fluss bis hierher gelaufen.“
Simeon runzelte die Stirn, aber er fragte nicht weiter. „Zum Glück ist dir nichts passiert! Hör zu, am besten, du gehst gleich in euren Turm zurück und lässt dich heute nicht mehr blicken. Jovan ist fuchsteufelswild.“
„Ist ... Danilo auch zurück?“
Als ich den Namen aussprach, machte mein Herz einen kleinen schmerzhaften Satz.
Simeon nickte bekümmert. „Er ist hier, ja. Aber du kannst dir denken, was jetzt los ist. Jovan gibt Danilo die Schuld an dem Pferdediebstahl.“
„Danilo? Warum denn? Er war doch gar nicht da.“
Es gab mir einen Stich, als mir bewusst wurde, wo mein Mann in dieser Nacht gewesen war. Und sogleich war mir wieder elend zumute.
„Eben deshalb“, murmelte Simeon. Ich fragte mich, ob er von der heimlichen Liebe wusste, aber er schien so bekümmert, dass ich es mir kaum vorstellen konnte.
Bereits auf dem Flur hörte ich den Streit. Auf Zehenspitzen trat ich zur Tür und spähte in das Türkenzimmer.
„Ich habe dir das Gut anvertraut. Aber das kümmert dich nicht weiter, oder?“, brüllte Jovan seinen Sohn an. „Hätte Jasna nicht Alarm geschlagen, dann wären auch noch die anderen Pferde gestohlen worden! Du willst alles töten, was mir lieb und teuer ist, nicht wahr?“
„Wenn Ihr meint, Vater“, erwiderte Danilo kalt. Er wehrte sich nicht, als Jovan ihn am Kragen packte und hinter dem schweren Holztisch hervorzerrte. Eine Schale fiel zu Boden und zerbrach, doch keiner der beiden kümmerte sich darum. „Du warst nicht auf dem Hof !“, herrschte Jovan Danilo an. „Und einer der Hajduken sagte mir, er habe dich Samstagnacht beim Dorf gesehen! An diesem Tag habe ich dich ganz sicher nicht auf einen Handelsritt geschickt. Also: Wo treibst du dich ohne mein Wissen herum, während deine Frau hier auf dich wartet und die Pferde unbewacht sind? Muss ich es aus dir herausprügeln?“
„Versucht es doch!“
Vater und Sohn waren zwei Wölfe, bereit, sich gegenseitig an die Kehle zu gehen. Ich wusste mit plötzlicher Klarheit, dass es auf diesem Gut niemals Frieden zwischen den beiden geben würde. Und noch etwas geschah in diesem Moment mit mir. Auf dem ganzen langen Weg hierher hatte ich gedacht, ich würde Danilo nie wieder ohne Abscheu ansehen können, aber nun, da sein Vater kurz davor war, ihn zu verprügeln, erkannte ich, dass ich mich nun endgültig entscheiden musste, auf welcher Seite ich stand. Ich dachte an die Vertrautheit zwischen Anica und Danilo – und ich gestand mir ein, dass ich Danilo nicht liebte und deshalb auch nicht auf Rache sann. Ich war gekränkt und wütend, auch enttäuscht, aber nicht im tiefsten Herzen verletzt. Und ich hatte Danilo nie genug gehasst, um jetzt zuzusehen, wie sein Vater ihn schlug.
Ich atmete tief durch und trat in den Raum. Danilo sah mich und biss sich auf die Unterlippe. In seinem Gesicht las ich, was er dachte: dass ich ihn und Anica verraten und ausliefern würde. „Mein Mann war bei mir, Schwiegervater“, sagte ich ruhig.
Jovans Griff lockerte sich, er ließ Danilo los und wandte sich mir zu. „Sieh an, meine Schwiegertochter hat auch etwas zu sagen? So, er war also bei dir?“
Ich trat an Danilos Seite. „Ja.“
Jovans Augen verengten sich. „Wen hat der Hajdukenkommandant dann gesehen?“
„Vielleicht denselben Reiter, den alle Betrunkenen sehen, wenn sie halb tot vom Branntwein in die Wolken starren“, antwortete ich. „Danilo war Samstagnacht in unserem Turm. Und heute Nacht ist er nur fortgeritten, weil ich etwas gehört hatte und ihn bat, nach dem Rechten zu sehen.“
Jovan schnaubte verächtlich. „Habe ich nicht die beste Wahl für dich getroffen?“, sagte er zu seinem Sohn. „Eine gute Frau, nicht dumm, nicht ängstlich und nicht auf den Mund gefallen. Und sie steht an deiner Seite wie ein Fels, ganz wie es sich für richtige Eheleute gehört. Nur schade, dass ihr euer Ehegelübde nicht ernst nehmt.“
„Warum seid Ihr so versessen darauf ?“, fragte ich. „Weil Ihr ... Schuld an Marjas Tod habt? Verfolgt sie Euch, Schwiegervater?“ Es war, als würde eine andere Jasna aus mir sprechen, eine Frau, die aufrecht stand und
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