Totenbraut (German Edition)
deren Stimme furchtlos und fest war. „Ihr glaubt, dieser Fluch wird ein Ende haben, sobald Ihr einen Enkel bekommt, nicht wahr? Ihr glaubt, das wäre ein Zeichen, mit dem Gott Euch sagt, dass er Euch vergibt – was auch immer er Euch zu vergeben hat.“
Dolchzunge! , vernahm ich in Gedanken Jelkas warnende Stimme. Das wird dich Kopf und Kragen kosten!
An Jovans Stirn pochte eine Ader, doch seltsamerweise verspürte ich keine Angst. Und ich beschloss, dass mir das Schlimmste längst passiert war und dass ich mich nicht mehr fürchten wollte. Was auch immer auf diesem Gut für Gesetze galten – dort draußen gab es auch noch eine andere Welt. Es gab das Dorf und Menschen wie Dušan. Es gab ein Türkenland, in dem die Leute ebenso feierten und lachten wie anderswo. Nichts war so, wie es am Anfang schien. Und kein Mann, nicht einmal Jovan, war allmächtig und Herr über mein Leben. „Die Leute im Dorf sagten mir, dass der Teufel Marjas Geist am Leben erhält und dass kein Mädchen Danilo heiraten will“, fuhr ich fort. „Deshalb musstet Ihr eine Frau aus der Fremde holen. Aber Euer Sohn und ich – wir sind beide nur Figuren in Eurem einsamen Spiel, das Ihr mit Gott und dem Teufel um Eure Seele spielt. Und bis die Entscheidung fällt, nährt Ihr Marjas rachsüchtigen Geist mit dem Blut der schwarzen Rösser, damit sie Euch verschont. Ihr füttert eine Mora , Schwiegervater! Ein Geschöpf des Bösen! Aber vielleicht hat der Teufel Euch längst eingeholt, Jovan. Möglicherweise war er die Gestalt, die ich heute Nacht am Waldrand gesehen habe.“
Jovan war schon bei der Erwähnung von Marjas Namen bleich geworden. Nun aber erlebte ich, wie dieser starke Mann ganz und gar in sich zusammensank. Furcht flackerte über sein Gesicht und ließ es alt aussehen. Für einen Augenblick taten mir meine harten Worte leid.
„Deine ... Tage auf meinem Gut sind gezählt, Jasna“, sagte er heiser.
Ich zuckte zusammen, als Danilo den Arm um mich legte und mich schützend an sich drückte. „Das glaube ich kaum“, gab er seinem Vater zur Antwort. „Dieser Bund gilt für immer. Das habt Ihr selbst gesagt. Und ich werde nicht zulassen, dass Ihr Jasna verstoßt.“
Überrascht sah ich zu ihm hoch, doch er hielt dem Blick seines Vaters stand.
„Du kommst mit mir, Danilo!“, befahl Jovan mit rauer Stimme und stürmte an uns vorbei zur Tür. „Simeon!“, hörten wir ihn keinen Atemzug später über den Hof rufen. „Wenn wir den Dieb erwischen und die Pferde zurückholen wollen, haben wir nicht viel Zeit. Sattle für mich und Danilo zwei der Schnellen! Wir reiten!“
Immer noch hielt Danilo mich fest, und ich konnte spüren, wie er zitterte. „Danke“, sagte er leise.
Vorsichtig entwand ich mich ihm und brachte wieder Abstand zwischen uns. „Ich hatte nur keine Lust mitanzusehen, wie er dich umbringt“, erwiderte ich kühl. „Das würde ich nämlich viel lieber selbst tun.“
„Es ist ... nicht so, wie du vielleicht denkst“, sagte er leise. „Anica und ich, wir lieben uns schon lange.“
„Dann hättest du sie heiraten sollen und nicht mich! Weiß Simeon davon?“
Kaum merklich schüttelte Danilo den Kopf. „Er weiß, dass wir uns früher liebten. Wir wollten heiraten, aber ihre Familie verbot es ihr und zwang sie zur Heirat mit Luka.“ Er zog den Mundwinkel zu einem ironischen Lächeln hoch. „Alles nur, damit ich sie nicht bekomme.“
„Ist es denn wahr?“, fragte ich. „Seid ihr Vukovićs verflucht? Hat dein Vater deshalb Angst?“
Danilos Schweigen war mir Antwort genug.
„Und ... Marja?“
Danilo senkte den Kopf. Das dunkle Haar fiel ihm über Stirn und Augen. „Nicht alles, was aussieht wie Teufelswerk, ist es auch. Meine Mutter ist tot, der Teufel hält sie ganz sicher nicht am Leben und wir füttern auch ihre Mora nicht. Und was das Pferdeblut angeht: Hierzulande trinkt man es zur Stärkung.“
Immerhin lernte ich in diesem Moment noch etwas Neues über meinen Mann: Er konnte nicht viel besser lügen als ich.
„Sag mir endlich die Wahrheit!“
„Verlange nicht zu viel von der Wahrheit“, antwortete er und sah mir wieder in die Augen. Dieser Blick war so nah und ehrlich, dass ich ihn fast wie eine Berührung spürte. Zu meiner Überraschung lächelte Danio mich an. Nicht bitter oder zynisch, wie sonst, sondern erstaunt, fast freundlich.
„Als ich dich das erste Mal sah, dachte ich, du seist nur irgendein Mädchen“, sagte er. „Ich dachte, du seist schwach, aber ich hätte mich
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