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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Nacht über dem Waldrand anhob, saß ich zusammengekauert auf dem Fensterbrett der Schlafkammer und hielt mich an dem Messer fest. Jetzt, da es heller wurde, erkannte ich, dass der Griff aus Eschenholz gefertigt war und schon oft in Dušans Hand gelegen hatte. Aus irgendeinem Grund tröstete mich der Gedanke. Als Sivac wie verrückt zu bellen anfing, versteckte ich das Messer hastig unter meinem Kopfkissen und lief nach unten. Doch es waren weder Jovan noch Danilo, die zurückkehrten, sondern zwei Hirten, die in respektvoller Entfernung hinter dem Tor entfernt warteten. Simeon stürzte gleichzeitig mit mir auf den Hof, das Gewehr in der Hand, die Augen rot von der durchwachten Nacht.
    „Was gibt es?“, rief er den Männern zu.
    Der ältere von beiden zog die Mütze vom Kopf und knetete sie nervös in den Händen. „Euer Hausherr“, erwiderte er. „Er liegt nicht weit vom Galgenbaum tot am Bach.“

Der Schlaf der Toten
     

    K
aum eine Stunde später trugen Simeon und zwei Haj duken Jovan auf den Hof. Sie hatten ihn in ein Tuch gehüllt, sein Rappe hinkte am langen Zügel hinter der Prozession her.
    Ich brach in Tränen aus, als ich meinen Schwiegervater in seinem ganzen Elend sah. Nicht weil die Wunde an seiner Schläfe mich erschreckt hätte – in meinem Leben hatte ich schon einige Tote gesehen –, sondern weil sich in seinem Gesicht maßloses Erstaunen abzeichnete. Ich hatte Jovan nur als Gutsherrn gekannt, geheimnisvoll und manchmal auch grausam, besessen von Angst und Schuld und gleichzeitig strahlend im Sonnenglanz der Ferne. Doch der Tod macht alle Menschen so schutzlos wie Schlafende. Und Jovan wirkte so verloren, dass ich erschüttert war und nicht mehr den wütenden Mann, sondern nur noch den großzügigen und lachenden Geschichtenerzähler vor mir sah. Nun, da ich sein Geheimnis kannte, schnitt mir das Mitleid ins Herz. Im Angesicht des Todes erschien es mir unverzeihlich, dass wir im Streit auseinandergegangen waren.
    „Der muss kopfüber auf die Steine gefallen sein“, knurrte einer der Hajduken. „Bestimmt ist sein Gaul gestürzt, als er über den Bach setzen wollte.“
    Simeon, dem die Tränen über die Wangen liefen, antwortete nichts. Und ich versuchte mir vorzustellen, wie ein so guter Reiter wie Jovan so unglücklich stürzen konnte. Ein ungerufener, hässlicher Verdacht sprang mich an. Nein!, befahl ich mir. Danilo würde doch seinen Vater nicht sterbend am Bach liegen lassen. Oder doch?
    „Habt Ihr Danilo gesehen?“, fragte ich benommen.
    Der ältere Hajduk strich sich mit dem Handrücken über den dichten Schnurrbart und schüttelte den Kopf.
    „Ich suche ihn“, sagte Simeon heiser. „Später.“
    Danilo hatte mich richtig eingeschätzt: Ich tat das, was nötig war, und ich tat es, als wäre ein Teil von mir taub und könnte nur das Nächstliegende bewältigen. Ich ging an den Männern und an Nema, die erstarrt vor Schmerz über dem Leichnam lag, vorbei und band Sivac neben dem Stalltor an, damit er nicht in Jovans Nähe kam. Kein Tier durfte unter der Bahre eines Toten hindurchlaufen oder über ihn springen, wenn man nicht wollte, dass er aus dem Grab aufstand. Dann brachte ich Jovans Rappen in den Stall, nahm ihm mit fahrigen Händen Sattel und Zaum ab und versorgte die Wunde an seinem Vorderbein. Er hatte ganz ohne Zweifel einen bösen Sturz überstanden. Blutige Striemen zogen sich über das Gelenk. Draußen forderte Simeon Nema mit gebrochener Stimme auf, Wein und Quellwasser für die Totenwaschung zu holen.
    Wie betäubt lehnte ich meine Stirn an die warme Pferdeschulter und schloss die Augen. Ich versuchte zu begreifen, dass der Tote wirklich Jovan war, aber es gelang mir nicht. Es war, als könnten die Türme ohne ihn nicht weiterbestehen, als hätte niemand auf dem Gut ohne seine befehlsgewohnte Stimme Grund, seiner Arbeit nachzukommen. Jetzt lag es an uns, das zu tun, was getan werden musste.
    Ich band einen Armvoll Stroh in meine Schürze ein und ging damit zum Türkenzimmer. Simeon hatte den Tisch freigeräumt, der als Totenbahre dienen würde, und nahm das Stroh mit einem dankbaren Nicken entgegen.
    „Er ... braucht den Segen des Priesters“, sagte ich leise. „Damit er nicht wiederkehrt. Davor fürchtete er sich doch, nicht wahr?“ Simeon, der bereits das Stroh auf dem Tisch verteilte, hielt mitten in der Bewegung inne. Ich blickte in sein vor Kummer gealtertes, verwüstetes Gesicht. Seine Augen waren rot, aber dennoch strahlte er eine Härte aus, die ich an

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